Es gibt Wörter, bei deren Gebrauch man sich vergreifen kann, weil sie unangemessen oder im jeweiligen Zusammenhang schlicht falsch sind. In loser Folge werden hier solche Wörter unter die Lupe genommen. Heute geht es um rechte Sprache in den Medien und wie wir sie übernehmen – oft ohne es zu wollen.
Ob bewusst oder unbewusst gewählt: Rechte Sprache in den Medien verbreitet sich mitunter schnell. Ebenso schnell übernehmen wir Wörter, die ihren Ursprung in der Sprache rechtspopulistischer oder offen rechter Demagogen haben. So werden beispielsweise „Überfremdung“, „Flüchtlingsströme“ oder „Flüchtlingswelle“ und die angeblich daraus resultierende „Flüchtlingskrise“ sowie als vermeintliche Lösung die „Obergrenze“ von den Medien kritiklos übernommen und dann auch Teil unseres eigenen Sprachgebrauchs. Wir geben solche Wörter nicht nur mündlich, sondern in Blogs und sozialen Netzwerken weiter. Die Folge: Die Sprache rutscht dadurch, ob wir es wollen oder nicht, nach rechts ab.
Rechte Sprache ist alt
Bereits im sogenannten Dritten Reich beobachtete der Philologe Victor Klemperer die Sprache um sich. Nach dem Zweiten Weltkrieg erschien sein Werk „LTI – Notizbuch eines Philologen“, das sich mit der Lingua Tertii Imperii, der Sprache des Dritten Reiches, befasst. Er kommt darin zu dem Ergebnis, dass die Sprache in der Zeit des Nationalsozialismus die Menschen weniger durch einzelne Reden, Flugblätter oder Ähnliches beeinflusst habe als durch die stereotype Wiederholung der immer wieder gleichen mit nationalsozialistischen Vorstellungen besetzten Begriffe. Klemperer folgert:
Worte können sein wie winzige Arsendosen: sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.
Die Floskelwolke beobachtet rechte Sprache in den Medien

Wie sich so manche Floskel, Phrase oder Formulierung in den Medien hält oder sogar ausbreitet, wollen die beiden Nachrichtenredakteure Udo Stiehl und Sebastian Pertsch mit der Floskelwolke deutlich machen, einer automatisierten Auswertung von rund 2000 deutschsprachigen Medien. Gesammelte Beispiele rechter Sprache erscheinen in einer „Wolke“, die sich täglich aktualisiert. Damit soll zu einem sensibleren Umgang mit Sprache aufgerufen werden.
Nicht nur als Journalisten, sondern auch als Privatpersonen sollten wir auf unsere Wortwahl achten und uns überlegen, ob manche Botschaft, die wir mit ihr senden, so auch tatsächlich gewollt ist:
Denn die Sprache prägt unser kollektives Denken und unsere kollektive Wahrnehmung – und damit natürlich in letzter Instanz immer das Handeln.
so die Sprach- und Kognitionsforscherin Elisabeth Wehling, zitiert nach dem Beitrag des im Übrigen sehr empfehlenswerten NDR-Medienmagazins ZAPP: „Gefährliche Übernahme: Rechte Sprache in den Medien“ (6 Minuten, 28 Sekunden) vom 23. November 2016.
Siehe auch
- „In der Wortwahl vergriffen: völkisch“ und in
- Ronalds Notizen: „Der Nazi in uns“ und
- Ronalds Notizen: „Sprache ist faschistisch!“, ein Zitat von Roland Barthes.
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