Über das Eszett (ß) gibt es immer wieder Diskussionen und Unklarheiten. Auch und gerade in typografischer Hinsicht und vor allem dann, wenn es um das große Eszett geht. Gibt es das überhaupt? Ein Beitrag über Herkunft, Gebrauch und Verwendung in Satz und Web – mit zwei Aktualisierungen.
Das Schriftzeichen ß ist ein Buchstabe des deutschen Alphabets. Er wird als Eszett [ɛsˈt͜sɛt] oder scharfes S bezeichnet, vereinzelt aber auch als „Doppel-S“, „Buckel-S“, „Rucksack-S“, „Dreierles-S“ oder „Ringel-S“.
So weit der Anfang des lesenswerten, weil sehr ausführlichen Wikipedia-Artikels.
Herkunft und Verwendung des Eszetts
Das ß ist eigentlich eine Ligatur aus ſ, ein langes s, ursprünglich ein weiterer Buchstabe des deutschen Alphabets, und z. Es ist nicht Bestandteil der amtlichen deutschen Rechtschreibung, ja, noch nicht einmal Bestandteil des deutschen Alphabets, auch wenn über seine Aufnahme seit Ende des 19. Jahrhunderts diskutiert wird.
Gemäß den Regeln der Rechtschreibreform von 1996 („Neue Rechtschreibung“) schreibt man ß für den stimmlosen s-Laut nach einem betonten langen Vokal:
Straße, aßen, aß, Buße, grüßt
und nach einem als lang geltenden Doppelvokal (Diphthong):
heißen, außen.
Das große Eszett
Das große Eszett (ẞ), auch großes scharfes S, versales ß, ß-Majuskel, ist die Großbuchstabenform des Kleinbuchstabens ß. Eine größere Nachfrage nach einem versalen ß entstand erst Anfang des 20. Jahrhunderts, als die deutsche Sprache vermehrt in Antiqua-Schriften gesetzt wurde. Vorher wurde hauptsächlich in gebrochenen Schriften geschrieben und gesetzt, in denen zur Schriftauszeichnung aus praktischen und ästhetischen Gründen nur selten Versalien verwendet wurden. Anfang 2008 wurde das große ß als neues Zeichen in den internationalen Standard-Unicode für Computerzeichensätze aufgenommen. Am 24. Juni 2008 trat die entsprechende Ergänzung der Norm ISO/IEC 10646 in Kraft. Die Verwendung ist und bleibt jedoch kein Bestandteil der amtlichen Rechtschreibung; siehe den Abschnitt „Das große Eszett“ im Duden-Newsletter vom 22. August 2008!
Muss ein großes Eszett überhaupt sein?
Über die Notwendigkeit des großen Eszetts wird mitunter heftig gestritten. Fakt ist jedoch, dass es kein einziges Wort mit einem ß als (großem) Anfangsbuchstaben gibt! Die Frage über dessen Gebrauch und die Verwendung stellt sich also nur, wenn es um Großschreibung oder Kapitälchensatz von ganzen Wörtern oder Wortfolgen geht, in denen ein ß vorkommt. Wobei sich über die Sinnhaftigkeit solcher Auszeichnungen ebenfalls diskutieren ließe! In den meisten Schriften fehlt eine entsprechende Majuskel jedoch, ebenso in den Standardbelegungen von Tastaturen, sodass sich bei der Einfügung eines kleinen ß in einen Versal- oder Kapitälchensatz aus typografischer Sicht sehr unschöne Bilder ergeben. Hier fällt nämlich die Unausgewogenheit des Schriftbildes ins Auge, da sich die Formen der Groß- und Kleinbuchstaben der verwendeten Schrift in der Regel in Breite, Höhe und Strichdicke unterscheiden.
Ein Rat zur Verwendung
Aus den genannten Gründen empfehle ich, auf das Einfügen eines kleinen ß anstelle eines großen in solche Satzarten zu verzichten! Gebrauchen Sie das große ß nur dann, wenn Sie über genügend Wissen über entsprechende Tastenkombinationen und/oder über eine geeignete Auswahl von Schriften verfügen! Und bedenken Sie, dass selbst dann, wenn Sie letztere Auswahl haben, ein großes ß nicht in allen verfügbaren Fonts gleich gut aussieht, denn hier gibt es gewaltige Unterschiede: Nicht in jeder Schrift sieht das große ß so gelungen aus wie in der Ehmcke-Antiqua im Beispielbild weiter oben. Eine Übersicht über unterstützende Fonts und weitere Informationen bietet der Wikipedia-Artikel über das große ß.
Eine (weitere) misslungene Darstellung eines großen ß und die Diskussion über dieses Zeichen finden Sie bei Kau-Boys: „Korrekte Typographie bei großem Eszett“. Warum die Darstellung nicht immer gelingt? Vergleichen Sie die beiden Bildschirmfotos dieses Beitrags:
Wir lernen zusätzlich: Nicht jedes Betriebssystem und nicht jeder Browser ist in der Lage, ein Versal-Eszett korrekt anzuzeigen. Deshalb: Vermeiden Sie es einfach, und den Ersatz eines großen durch ein kleines ß im Versal- oder Kapitälchensatz sowieso!
Aktualisierung vom 20. Januar 2017
Wie einer Kurzmeldung auf PAGE online vom heutigen Tag zu entnehmen ist, will der Rat für deutsche Rechtschreibung der Kultusministerkonferenz vorschlagen, das Versal-Eszett in die amtliche deutsche Rechtschreibung aufzunehmen. Nach der Lektüre des das ß betreffenden Abschnitts fiel auf, dass darin doch sehr stark auf die Bedürfnisse der Werbeindustrie eingegangen wird. Hierbei stellt sich wiederum die Frage: Richtet sich die (Sprache der) Werbung nach uns oder umgekehrt?
Und noch nebenbei bemerkt: Dass dort zumindest die Feintypografie auch nicht so ganz den amtlichen Rechtschreibregeln entspricht, nach denen zwischen Teilen von Abkürzungen, die mit einem Punkt getrennt werden wie etwa bei „z. B.“ oder „u. a.“, Festabstände gesetzt werden, widerspricht der Autorität des Rats für deutsche Rechtschreibung doch etwas.
Aktualisierung vom 30. Juni 2017
Wie der Rechtschreibrat in einer Pressemitteilung (PDF, 491,6 kB, öffnet in neuem Fenster) am gestrigen Tag mitteilte, wird das amtliche Regelwerk der deutschen Sprache u. a. hinsichtlich der Aufnahme des versalen Eszetts aktualisiert. Dieses nach wie vor heftig und kontrovers diskutierte Zeichen (siehe hierzu beispielsweise die Meldungen bei PAGE online und bei tagesschau.de) wird somit amtlich!
(Siehe auch in Ronalds Notizen: „Das große Eszett“!)
Hallo Ronald,
ich habe es selbst mal getestet. Es scheint wirklich so zu sein, dass Windows XP mit dem Zeichen bei dieser speziellen Schriftart nicht zurecht kommt. Selbst im Chrome Browser nicht.
Aber ich würde jetzt einfach mal frech behaupten, dass Windows XP nicht mehr als Referenz gelten darf 🙂 Schon unter Windows 7 funktioniert es tadellos.
Aber selbstverständlich hast du recht und man sollte die Seite genau prüfen, wenn man ein großes ß verwendet. Aber natürlich auch bei allen anderen Sonderzeichen.
Also vielen Dank noch einmal für deine genau Analyse und diesen interessanten Beitrag zum Thema.
Hallo, Bernhard,
gern geschehen und danke für das Lob und den Kommentar!
Was Windows XP als „Referenz“ angeht: Es benutzen noch mehr Leute als du glaubst! Wenn ich mir beispielsweise die Auswertung des Datentransfers meiner beiden Internetpräsenzen ansehe, dann entdecke ich sogar noch Nutzer/-innen mit Windows NT, ME und eine (allerdings verschwindend kleine) Anzahl solcher mit 2000 und 98 (Zeitraum: 31. Oktober bis 21. November 2016, Reihenfolge der Aufzählung: nach Anteil absteigend).
Einen Artikel zur Statistik der Verbreitung von Betriebssystemen findest du bei Interesse im IT Magazine: „Windows 10 kann Marktanteil nicht mehr steigern“, der als Quelle Desktop Operating System Market Share angibt, eine Auswertung von Januar bis Oktober 2016. Danach ist XP sogar weiter verbreitet als Windows 8 und als alle Linux-Betriebssysteme zusammen! Deshalb sollten nicht nur bei der Verwendung des großen Eszetts, sondern, wie du in deiner Antwort auf einen meiner Kommentare zu deinem Beitrag sehr richtig erwähnt hattest, auch bei der weiterer Sonderzeichen der Aspekt des Betriebssystems nicht außer Acht gelassen werden.
Auf die Möglichkeit, dass die Nichtdarstellung des großen Eszetts mit XP zusammenhängen könnte, bin ich allerdings selbst nicht gekommen. Danke für die Erleuchtung!
PS: Habe ganz vergessen, von den teilweise uralten Browser-Versionen zu sprechen! Wenn ich mir die Analyse meiner Logfiles ansehe, finde ich im Auswertungszeitraum vom 27. Februar bis zum 20. März 2017 allein 405 (!) Seitenaufrufe über Mozilla 1, einige Tausend haben noch nicht einmal auf Firefox in der Version 52 aktualisiert, sondern es sind noch mehr als mit dieser Version mit 51 unterwegs (bei Mozilla geht es über fast alle Versionen), und immerhin 85 noch mit dem Internet Explorer Version 7, der damals noch mit dieser (schlechten) Kompatibilitätsansicht arbeitete. Bei Safari sieht es ähnlich aus!
Ob solche Leute als „Referenz“ gelten sollen, muss jeder, der sich mit Typografie und Webdesign auseinandersetzt, selbst entscheiden; ganz außer Acht lassen kann man diese hohe Anzahl aber kaum. Schließlich betreibe ich nur „kleine“ Blog-Seiten; wie sieht es erst in der Zugriffsstatistik von oft aufgerufenen Adressen aus? Nach einem Bekannten, der mit Website-Erstellung zu tun hat, wissen viele der Kunden noch nicht einmal, mit welcher Browser-Version sie selbst unterwegs sind!