Es gibt viele sprachliche Auszeichnungen wie das Wort, das Unwort oder das Jugendwort des Jahres. Wenig bekannt ist die Floskel des Jahres, verliehen von der medienkritischen Initiative Floskelwolke. Die Floskel des Jahres 2021 lautet: Eigenverantwortung.
Die „Floskelwolke“ ist ein Projekt von Sebastian Pertsch und Udo Stiehl, mit dem sie „Journalisten, aber nicht nur diese, daran erinnern wollen, dass man sich möglichst nicht ‚mit Hochdruck‘ zu weit ‚aus dem Fenster lehnt‘, um über ‚Datendiebstahl‘ ‚auf offener Straße‘ zu schreiben“, so der „Tagesspiegel“ vom 9. August 2019 zum fünfjährigen Geburtstag des Projekts. Wir hatten es übrigens bereits auch hier im Beitrag „In der Wortwahl vergriffen: rechte Sprache in den Medien“ vom 1. Dezember 2016 erwähnt.
„Eigenverantwortung“ als fehlgedeutetes Schlagwort
Nun gab Floskelwolke die Floskel des Jahres bekannt: Eigenverantwortung. In der Begründung heißt es:
Ein legitimer Begriff von hoher gesellschaftlicher Bedeutung wird ausgehöhlt und endet als Schlagwort von politisch Verantwortlichen, die der Pandemie inkonsequent entgegenwirken. Fehlgedeutet als Synonym für soziale Verantwortung und gekapert von Impfgegner:innen als Rechtfertigung für Egoismus.
Die weiteren Plätze dahinter
Nicht weniger interessant sind die Platzierungen dahinter:
- „klimaneutral“ („Ein wohlklingendes Etikett, das bei näherer Betrachtung nicht immer hält, was es verspricht. Dabei lassen Greenwashing-Phrasen wie ‚klimaneutrales Erdöl‘ und ‚klimaneutralere Produktion‘ sowie ein problembehafteter und selten hinterfragter Zertifikatshandel wichtige Ziele im PR-Nebel verschwinden.“),
- „links-gelb“ („Was bei ‚links-grün‘ noch mit „versifft‘ geframt wurde, schwingt bei ‚links-gelb‘ schon unausgesprochen mit. Die Kombination ist ein gezielter Misskredit gegen politische Konkurrenz in neuer Dimension: Diesmal als zentraler Wahlkampfbegriff, der weit über den Regierungswechsel hinausreichen wird.“),
- „unvorhersehbar“ („Wissenschaftliche Prognosen und eindringliche Appelle renommierter Expert:innen lösen Monate später vorgebliche Überraschung bei Bundes- und Landesregierungen aus. Im zweiten Jahr der Pandemie überwiegen die gefühlten Wahrheiten den rationalen Fakten, wenn es vorhersehbar um die Wählergunst geht.“) und
- „Instrumentenkasten“ („Das Zentrallager der föderalen Uneinigkeit: der Instrumentenkasten. Die Komposition suggeriert ein bundesweit gemeinschaftliches und einheitliches Vorgehen, das praktisch jedoch in länderspezifische Eigenwilligkeiten zerfällt. Sprachbildlich gefüllt mit 16 ersten Geigen und einem Dirigentenstab.“).
(Siehe hier auch „Floskeln: von der Luft nach oben und deren Leere“, „„Ist das skalierbar?“ Berufliche Phrasen“ und „Proaktiv“!)
Ein Kommentar