Nein, wir sprechen hier nicht über die Initialen von Namen, sondern von solchen als typografischem Stilmittel. Nämlich von (meist) Großbuchstaben, um Kapitel, Kolumnen und Absätze von Handschriften und Druck-Erzeugnissen zu strukturieren und zu gliedern. Und zumindest früher sehr häufig auch zu schmücken.

Initialen nennt man zwar auch die jeweils ersten Buchstaben eines Namens. Künstlerinnen und Künstler etwa verwenden ihre, um ein Werk zu signieren. In diesem Zusammenhang sprechen wir auch von einem Monogramm. Albrecht Dürer gestaltete sein eigenes sogar aus. Heutzutage „signieren“ wir mit unseren Anfangsbuchstaben zum Beispiel Kurznachrichten oder E-Mails.
Doch dieser Gebrauch soll uns hier nicht interessieren. Wir befassen uns an dieser Stelle mit diesen häufig geschmückten Großbuchstaben (Versalien), die als erste Buchstaben von Kapiteln oder Abschnitten verwendet wurden und auch noch werden.
Initial oder Initiale?
Zunächst einmal heißen diese Großbuchstaben die Initiale (vom lateinischen initium für „Anfang, Beginn“), im Plural: die Initialen. Seltener gebräuchlich ist aber auch das Initial; der Plural hiervon: die Initiale. Wir bleiben hier bei den gebräuchlicheren Formen. Nach dem Duden sind aber beide gleichberechtigt und verwandt. Wenn Sie sich für eine der Formen entscheiden, bleiben Sie dann bitte konsequent bei den richtigen Ein- und Mehrzahlen. (Und nebenbei bemerkt: Im Zusammenhang mit Namen gibt es nur die Pluralform, denn: Namensinitialen bestehen immer aus mindestens zwei Buchstaben, die typografischen aber zu allermeist nur aus einem!) Auf keinen Fall jedoch sprechen wir von „Initialien“ mit vier „i“!
Belegt ist das Wort seit dem 18. Jahrhundert, doch sie selbst sind schon viel älter.
Zur Geschichte der Initialen
Die klassische Schrifttradition war sehr langsam darin, Großbuchstaben zu verwenden. Sogar der Gebrauch von Wortzwischenräumen und Satzzeichen im heutigen Sinn war unüblich. Erst zwischen dem 4. und dem 6. Jahrhundert begann sich in Italien beides durchzusetzen.
Initialen standen anfangs als sogenannte „angesetzte Initialen“ noch allein links außerhalb des Textes. Es waren dann mittelalterliche Handschriften aus Irland, die über England das kontinentale Europa erreichten, in denen sie sozusagen „in den Text eingebunden“ waren.
Im Laufe der Zeit veränderten sich Größe, Stil und Stellung der Initialen immer wieder. Manche konnten gar eine ganze Seite belegen: die Initialzierseite. Zudem unterscheiden wir seitdem Initialen als erste Buchstaben von Kapiteln oder Abschnitten von Lombarden: kleinere, nicht ausgeschmückte Initialen als Markierung von neuen Sätzen oder Absätzen im Fließtext.


Mit der Einführung des Schriftsatzes und des Buchdrucks um 1450 und als Bücher noch wie Handschriften aussehen sollten, ließen Schriftsetzer den Platz für die Initialen noch leer. Diese und auch Überschriften wurden von Künstlern mit der Hand eingefügt und oft mit kostbaren Materialien veredelt („illuminiert“). Erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurden sie von gedruckten Initialen im Holzschnitt oder mit Typenmaterial aus Blei abgelöst. Der genannte Albrecht Dürer brachte übrigens 1525 eine ganze Reihe von Fraktur-Initialen heraus.
Im 19. Jahrhundert bis zu Anfang des 20. Jahrhunderts waren in ganz Westeuropa Initialen insbesondere in Akzidenzdrucksachen sehr beliebt. (Erklärung: Akzidenzen sind Gelegenheitsdrucksachen von in der Regel geringem Umfang.) Verlagshäuser und Druckereien brachten eine Vielzahl an oftmals historisierenden Initialen hervor. Heute werden Initialen in der Buch-, Zeitungs- und Zeitschriftentypografie nur noch sehr sparsam und in der Regel unverziert eingesetzt.
Das Beitragsbild
Unser Beitragsbild ganz oben zeigt eine sogenannte „Bewohnte Initiale“: Figuren agieren in der Initiale; der Initialkörper wird oft aus Rankenwerk gebildet. Bild: Initiale P in der Bibel der Malmesbury Abbey, Wiltshire, England, von 1407. Gut zu erkennen sind die reichhaltigen Vergoldungen. Die Bibel wurde von Gerard Brils in Belgien handgeschrieben. Der Text:
Explicit
epistola beati iacobi apostoli ¶ In
cipit epistola beati petri apostoli prima
Petrus apo
stolus ihe
su christi ele
ctis adue
nis disper
sionis pon
ti galaciae capadocie asye et
bithinie secundum prescienciam
Initialen in der heutigen Typografie
In der heutigen Typografie verwenden wir als Initialen meist Versalien aus größeren Schriftgraden. Sie können ein- oder mehrzeilig angeordnet sein und sollten stilistisch zur Grundschrift passen. Und: Sie sollten optisch auf der Schriftlinie der Zeile stehen, die als letzte aufgrund der Initiale eingezogen ist.
Dabei unterscheiden wir zwischen verschiedenen Arten:
- Eingebaute Initialen ragen zwei oder drei Zeilen in den Text hinein und stellen die übliche Art dar.
- Freistehende können auch eingebaute Initialen sein, weisen aber, im Gegensatz zu Kassetteninitialen, keinen Rahmen auf.
- Hängende, auch überhängende oder überragende Initialen nennt man sie, wenn sie über den Rand der Kolumne/des Satzspiegels hinausragen.
- Angesetzte Initialen stehen völlig außerhalb der Kolumne/des Satzspiegels und sehen wie „angeklebt“ aus.
- Kassetteninitialen haben einen festen Rahmen. Schmale Buchstaben wie I oder J wirken so größer.
- Illustrierte Initialen erinnern sehr an die früheren wie oben beschriebenen, in denen Miniaturen den ersten Buchstaben eines Kapitels illustrierten. Sie sind heute kaum noch zu finden, da Abbildungen vor der Kapitelüberschrift oder im Abschnitt meist sinnvoller sind. Außerdem dürften Künstler/-innen, die solche (noch) herzustellen in der Lage sind, inzwischen sehr rar (und sehr teuer!) geworden sein.
- Ganz selten finden sich hinterlegte Initialen. Sie liegen hinter (oder, je nach Sichtweise, auch: über) dem eigentlichen Text. Dabei sollten sie sich in der Textfarbe oder im Kontrast deutlich vom Fließtext unterscheiden, damit beides lesbar bleibt. Im Sinne der Grundlagen für barrierefreie Webseiten raten wir jedoch zumindest im WWW von deren Gebrauch ab!
Typografische Details beim Satz von Initialen
Mit der Hilfe von Satz- und Layout-Programmen sollte der Satz von Initialen kein Problem darstellen. Auch mit Microsoft Word oder im LibreOffice Writer ist die Erstellung möglich: Markieren -> Format -> Initial. Lediglich auf den Abstand zwischen dieser und dem folgenden Text ist zu achten: Die Initiale sollte nicht am Text „kleben“, aber auch nicht zu weit von diesem entfernt sein.
Die Regel, dass Initialen stilistisch zur Grundschrift passen sollten, müssen Sie aber nicht unbedingt ernst nehmen. Besonders im WWW mag sie Gültigkeit haben, doch in Druck-Erzeugnissen darf sie gern umgangen werden. Alternativ können Sie hier für die Initiale eine andere, schmückende Schrift mit ausladenden Formen wählen, wie zum Beispiel eine Schreib-, eine Hand- oder eine Stilschrift wie etwa eine Fraktur. Grundsätzlich sollten Sie sich also bei der Kombination von Text- und Initialschrift weniger Gedanken machen als bei der Kombination zweier Grundschriften!
Je größer Sie aber die Initiale setzen, umso eher wirkt sie auch als schmückendes Bild und umso weniger müssen Sie auf das Zusammenspiel zwischen Schriften achten. Allerdings gilt hier: Je größer und auffälliger die Initialen, desto seltener sollten Sie sie verwenden!
Auf keinen Fall jedoch wird der Buchstabe, den die Initiale ersetzt, danach wiederholt, wie dies im Bild des Beitrags „Finden Sie die Fehler?“ zu sehen ist!
Weitere Verweise
- „Initialen | Ausgeschmückte, verzierte oder vergrößerte Buchstaben (Initial)“ im Typolexikon
- Bibliotheca Laureshamensis digital: Bildergalerie: Zierinitialen aus verschiedenen Jahrhunderten
- Ziereis Faksimiles: „Die Kunst der Initialen – Wenn Buchstaben zu Bildern werden“ mit sehr vielen Bildbeispielen
- „Initial: Wann und wie wird es im Layout richtig eingesetzt?“ bei Onlineprinters mit praktischen Tipps
- Typografie.info: „Versuch einer Erklärung zu INITIALEN in einem Text“ ebenso mit praktischen Tipps