Wir alle machen Schreibfehler. Und wir neigen auch dazu, solche Fehler zu überlesen, wenn wir einen Text korrigieren. Die sogenannte Mustererkennung macht es möglich. Lesen Sie mehr über typische Schreibfehler und warum wir sie machen sowie über die beachtliche Fähigkeit unseres Gehirns, Fehler für uns zu korrigieren.
Wir alle neigen dazu, Schreibfehler zu machen, womit Fehler in geschriebenen Dokumenten gemeint sind, egal ob sie handschriftlich oder mittels einer Textverarbeitung erstellt wurden. In letztgenanntem Fall nennt man sie Tippfehler. (Von Druckfehlern allerdings sollten Sie nicht sprechen, denn das sind sie seltenst; siehe die Startseite dieser Internetpräsenz!) Hier nennen wir solche Fehler durchgängig Schreibfehler.
Warum wir Schreibfehler machen
Im Allgemeinen teilen wir Schreibfehler in folgende Arten ein:
- Flüchtigkeitsfehler: solche, die aus Unachtsamkeit, hervorgerufen etwa durch mangelnde Konzentration, entstehen.
- Fehler aus Unsicherheit: solche, die durch rechtschreibliche Unsicherheit entstehen. Hier wird kein Zugriff auf einen Duden, auch nicht online, gesucht und der Text in der Hoffnung, dass er schon richtig sei, einfach so belassen.
- Fehler aus Unwissenheit: solche, die durch rechtschreibliche Unwissenheit entstehen, also solche, die wir als Fehler nicht erkennen, weil sie uns nicht als Fehler bewusst sind.
Allerdings mag bei vielen auch (immer noch) eine Unsicherheit oder gar eine Unwissenheit hinsichtlich der letzten Rechtschreibreform hinzukommen.
Fehler aus der Sicht von Sprachwissenschaftlern
Fachleute wie etwa Linguisten benennen andere Rechtschreibfehler:
- Phonetisch bedingte Fehler. Dazu gehören die Angleichung ungewöhnlicher Grafien an die für das phonetische Phänomen übliche Schreibweise (Beispiele: „Aquisition“ statt Akquisition, „Extase“ statt Ekstase, „gröhlen“ statt grölen, „Kenntniss“ statt Kenntnis) oder die Übertragung phonetischer Prozesse wie Assimilation in die Schrift (Beispiele: „hälst“ statt hältst, „Imbusschlüssel“ statt Inbusschlüssel, „Psychatrie“ statt Psychiatrie).
- Morphologisch bedingte Fehler. Dazu gehören die falsche Segmentierung von Wörtern, mitunter aufgrund von Volksetymologien (Beispiele: „Stehgreif“ statt Stegreif, also von „Steh-Greif“ statt eigentlich von „Steg-Reif“, „vorraus“ statt voraus, also von „vor-raus“ statt von „vor-aus“, „Rückrad/Rückrat“ statt Rückgrat) und falsche Derivationen, oft Substantivierungen (Beispiele: „projezieren“ statt projizieren, hier falsche Ableitung von Projektor), „Reflektion“ statt Reflexion, hier falsche Ableitung von reflektieren, „Seriösität“ statt Seriosität, hier falsche Ableitung von seriös).
- Interferenziell bedingte Fehler. Dazu gehören die Angleichung an die (vermeintliche) Schreibung in anderen Sprachen, meist Anglizismen oder Gallizismen (Beispiele: „Bisquit“ statt Biskuit, hier scheinbar französisch, dort jedoch biscuit, „Gallerie“ statt Galerie, hier zu italienisch galleria oder englisch gallery, „Pepperoni“ statt Peperoni, hier wie im Italienischen).
In einigen Fällen vereinigen sich mehrere Aspekte, so in „projezieren“ die falsche Ableitung und die Verschriftlichung der Zentralisierung des unbetonten i zu ə, oder in „Gallerie“, wobei auch die phonetische Ähnlichkeit mit Galle die falsche Schreibweise nahezulegen scheint.
Warum wir Schreibfehler überlesen
Genauso neigen wir dazu, Rechtschreibfehler zu überlesen. Nicht nur, aber auch gerade dann, wenn es sich um unsere eigenen Texte handelt. Korrektoren kennen das! Und selbst erfahrene Korrektoren übersehen manchmal auch Fehler in fremden Texten. Woher kommt das eigentlich?
Die Mustererkennung
Die sogenannte Mustererkennung unseres Gehirns ermöglicht es, dass wir falsch geschriebenen Text richtig lesen (können). Beim Lesen korrigiert das Gehirn die Wörter mit falschen Buchstaben für uns. Das funktioniert allerdings nur bei Wörtern, die wir kennen oder die wir aus dem Zusammenhang erschließen können – und wenn der erste und der letzte Buchstabe korrekt sind, wie in diesem Fall:
Vleie Letue feragen scih vudrenewrt, wruam sie deseim Bcsaesluhtbnaat enien Snin etnhmenen knöenn. Das ist aebr liceht ekrlräabr, zedum mcaht es regeisin Sapß. Der Gnrud ist, dsas man die Wrteör ekrnent, wnen jwieles der etsre und ltetze Bcshtubae an der rctgiehin Seltle setht. (Text mit freundlicher Genehmigung von Multisprech: „Multi-sprech-schreib-lies“)
Selbst wenn man Buchstaben durch Zahlen ersetzt, können wir dank der Mustererkennung einen Text entziffern, was hier wörtlich zu nehmen ist:
D1353 M1TT31LUNG Z31GT D1R, ZU W3LCH3N GRO554RT1G3N L315TUNG3N UN53R G3H1RN F43H1G 15T! 4M 4NF4NG W4R 35 51CH3R NOCH 5CHW3R, D45 ZU L353N, 483R M1TTL3W31L3 K4NN5T DU D45 W4HR5CH31NL1ICH 5CHON G4NZ GUT L353N, OHN3 D455 35 D1CH W1RKL1CH 4N5TR3NGT. D45 L315T3T D31N G3H1RN M1T 531N3R 3NORM3N L3RNF43HIGKEIT. 8331NDRUCK3ND, OD3R? DU D4RF5T D45 G3RN3 KOP13R3N, W3NN DU 4UCH 4ND3R3 D4M1T 83G315T3RN W1LL5T. (Aus Ronalds Notizen: „Gehirnleistung“)
Für dieses Beispiel wurden die Buchstaben mit ähnlich aussehenden Ziffern vertauscht: 1 für I, 3 für E, 4 für A, 5 für S, 8 für B. Aber auch hier sind jeweils der erste und der letzte Buchstabe korrekt, sofern sie nicht durch eine ähnliche Zahl ersetzt wurden, was zeigt, dass die Positionierung der Buchstaben für die Wort-Erinnerung enorm wichtig ist; siehe dazu den Aufsatz von Graham Rawlinson: „The Significance of Letter Position in Word Recognition“!
Der Rat eines Korrektors
Zum Schluss noch ein kleiner Rat eines Korrektors an alle, die ihre eigenen Texte lesen müssen: Legen Sie eine Pause zwischen Texterstellung und Korrekturlesen ein und/oder widmen Sie sich anderen Aufgaben! Je größer die zeitliche Differenz dazwischen, desto mehr Fehler entdeckt man, was daran liegt, dass man unmittelbar nach dem Schreiben noch zu sehr „im Text“ ist und die Fehler so weniger auffallen.
Weitere Verweise
- korrekturen.de: „Beliebte Fehler“, eine Sammlung „typischer Stolpersteine“
- Setzfehler: „Über die Arbeit eines Lektors“
Hier haben wir nun einen fundierten und aufschlussreichen Beitrag. Fehler machen ist ja menschlich, irren auch. Die Fehler im Sinne des englischen 'mistake' unterlaufen uns und sind prozess- bzw. vollzugsbezogen. Man greift z.B. auf der Tastatur einfach mal daneben ['mis(s)-take']. Anders aber bei den Fehlern im Sinne des englischen 'error': Diese sind systembezogen. Man weiß es eben nicht (besser) und "begeht" diese Fehler immer wieder (to commit an error). – Wir spüre ich nun die 'mistake-Fehler' in (meinen) geschriebenen Texten auf? Da hilft mir ein Deckblatt, das ich von unten her Zeile für Zeile nach oben schiebe. Dabei lese ich gleichsam ohne Sinnentnahme 'text-rückwärts'. Bei Texten auf Bildschirmen oder Displays wird ebenfalls von unten nach oben geschoben, freilich nicht mit einem Deckblatt, sondern mit dem Finger oder der Maus.
Besten Dank für Ihr Lob, Ihren wertvollen Tipp mit dem Deckblatt und dem Rückwärtslesen sowie für Ihren Kommentar an sich! Mit einem Blatt Papier zum Abdecken habe ich tatsächlich auch schon am Bildschirm gearbeitet – auf die Dauer leider etwas mühsam, da der eine Arm mit dem Deckblatt doch bald ermüdet. Hier hilft nur das Befestigen des Deckblattes an geeigneter Stelle am Monitorrand. Mit der Maus oder der Pfeiltaste wird dann der Text auf dem Bildschirm Zeile für Zeile bewegt. Sollten allerdings auch Sinnfehler korrigiert bzw. lektoriert werden, so hülfe das Rückwärtslesen leider nicht!
Das stimmt, Herr Filkas. Geht mir genau so. Meinen 'mistake' in Zeile 6 meines Kommentars haben Sie ja sicherlich auch gleich entdeckt. Dazu hier noch ein Nachtrag: In dem Johnson-Beitrag 'Hit and misspeak' im ECONOMIST (13.5.17) sind 'mistakes' wohl Geoffrey Nunberg's 'typos' und 'errors' seinen 'thinkos' zuzuordnen, was er allerdings auf 'misspeak' bezieht. Man könnte das freilich auch auf geschriebene Texte beziehen. – Ich gebe Ihnen Recht: Rückwärtslesen bei Sinnfehlern geht nicht, weil bei mir Rückwärtsdenken auch nicht klappen will.
Ein Fehler „in Zeile 6“, Herr Dr. Reisener? Davon abgesehen, dass mir die Verortung einer sechsten Zeile auf einer Website, die responsive ist, deren Layout sich also an verschiedene Bildschirmgrößen anpasst, unmöglich ist, fällt mir augenscheinlich nur auf, dass mehrteilige Abkürzungen, deren Bestandteile durch Punkte getrennt werden, wie es etwa bei „z. B.“ für „zum Beispiel“ oder „u. a.“ für „unter anderem“ der Fall ist, mit einem Festabstand zwischen den Bestandteilen gesetzt werden, also so, wie es auch bei Ausschreibung der Fall wäre. Die Kompressschreibung ist übrigens (leider) weit verbreitet und so gut wie unausrottbar. Schließlich ließe sich noch anmerken, dass Substantivierungen, wie „Fehler-Machen“ bzw. „Fehlermachen“ (das sollte auch möglich sein, da der Duden auch das Saubermachen erlaubt) und „Irren“ im zweiten Satz Ihres ersten Kommentars, zumindest nach der letzten Reform großgeschrieben werden.
Interessant und in Ergänzung Ihrer Kommentare ist übrigens auch die Anzahl möglicher Synonyme für „Fehler“ im Deutschen, wozu auch „Fehlgriff“, „Missgriff“, „Ungeschicklichkeit“, „Versehen“ und „Patzer“ zählen, alles Wörter, die sich auch im englischen mistake widerspiegeln!
Das Rückwärtslesen habe ich auch schon mit Erfolg gemacht. 🙂