An der Frage, ob etwas grammatisch oder grammatikalisch richtig bzw. falsch ist, scheiden sich die Geister. Wir werfen einen Blick zurück und auf mögliche Unterschiede zwischen beiden Formen und entscheiden uns dann für die erstere.
Die Frage, ob ein Satz grammatisch oder grammatikalisch richtig bzw. falsch ist, wird immer wieder und immer noch diskutiert. Davon zeugt die Vielzahl von Suchergebnissen, die nach entsprechenden Anfragen im WWW zu finden sind. Der Duden kennt übrigens beide Versionen. Fest zu stehen scheint jedoch, dass „grammatikalisch“ weitaus häufiger benutzt wird. Nicht nur aus meiner persönlichen Erfahrung, sondern auch nach der Anzahl der Vorkommnisse im WWW. Doch ist das tatsächlich richtig so? Oder alles nur Spitzfindigkeit?
Werfen wir zunächst einen Blick in die Geschichte, auf die Wortherkunft und die Häufigkeit beider Wörter.
Geschichte, Herkunft und Häufigkeit
Laut der FAQ-Liste der deutschen Sprache wurde das
althochdeutsche Substantiv grammatih […] im 11. Jahrhundert aus dem lateinischen (ars) grammatica und dem griechischen grammatike (techne) (beides [für] Sprachlehre, Sprachkunst) entlehnt; die heute gängige Form Grammatik ist erstmals im 16. Jahrhundert belegt. Hierzu wurde — ebenfalls im 16. Jahrhundert — das Adjektiv grammatisch gebildet und im 17. Jahrhundert grammatikalisch, letzteres in Anlehnung an das spätlateinische grammaticalis, möglicherweise mit Umweg über das französische grammatical.
Aha, „grammatisch“ ist also schon einmal älter! Zur Häufigkeit heißt es dort:
War laut Grimm grammatikalisch bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts gängiger als das ältere grammatisch, so soll dessen Gebrauch im 19. Jahrhundert stark rückläufig gewesen sein.
Bisweilen erklärten Lexikographen, etwa Adelung, die längere Form gar für veraltet, doch Totgesagte leben — wie dieser Statistik zu entnehmen — bisweilen länger: Hat im Web grammatisch die Oberhand, so ist es in den News genau umgekehrt. Veraltet ist grammatikalisch also mitnichten; vielmehr erfreuen sich beide Formen offenbar bester Gesundheit.
Ist der Gebrauch beider Formen nun also austauschbar?
Grammatisch oder grammatikalisch: ein Unterschied
Belles Lettres: Deutsch für Dichter und Denker macht einen Unterschied zwischen beiden Formen aus:
Grammatisch ist, was in seinem Wesen Grammatik ist, zum Beispiel die Deklination, die Syntax oder eine Kasusendung. [Beispiel:] Diese Endung ist grammatisch. […]
Etwas ist dagegen grammatikalisch, wenn es sich auf Grammatik bezieht: Das ist grammatikalisch falsch.
Ein Unterschied ist hier zwar tatsächlich vorhanden, aber versteht den ein Laie? Allerdings wird im Absatz „Allgemeinsprachlicher Gebrauch“ auch darauf hingewiesen, dass die
Unterscheidung zwischen "grammatisch" und "grammatikalisch" […] vor allem in der Fachsprache nützlich und verbreitet [ist], wo man tatsächlich über Grammatik spricht.
Um zu dem Schluss zu kommen:
Im Alltag kommt es allerdings selten vor, daß man etwas als von grammatischem Wesen beschreiben will. […] Darum verwendet die Allgemeinsprache grammatisch und grammatikalisch synonym im Sinne von grammatikalisch.
Im Sinne von grammatikalisch? Warum nicht im Sinne von grammatisch? Dies scheint nun schwer nachvollziehbar, denn wenn es darum geht, ob etwas grammatisch oder grammatikalisch richtig ist, beziehen wir uns seltenst auf „das Wesen der Grammatik“, sondern meistens ganz konkret auf grammatische Fehler!
Werfen wir einmal einen Blick auf andere Wörter mit der Endung -tik.
Grammatik: grammatisch oder grammatikalisch?
Nehmen wir einmal das Wort Automatik. Ist das Adjektiv davon nun automatisch oder automatikalisch?
Informatik: informatisch oder informatikalisch?
Mathematik: mathematisch oder mathematikalisch?
Nautik: nautisch oder nautikalisch?
Politik: politisch oder politikalisch?
Sie verstehen nun, welcher Form ich den Vorzug geben würde? Starten Sie die Diskussion, wenn Sie anderer Meinung sind, gern aber auch, wenn Sie mir zustimmen!
Siehe hier zu weiteren möglichen „Spitzfindigkeiten“ etwa auch:
Bislang habe ich immer grammatikalisch verwendet, aber die Vergleiche mit den anderen Adjektiven von Wörtern, die auf ‑tik enden, überzeugt mich: In Zukunft benutze ich nur noch grammatisch. Politikalisch klingt wirklich blöd!
Hallo, Šuhaj,
kleine Korrektur: Die Vergleiche überzeugen mich. Aber danke für die positive Rückmeldung!
Mich stört "Konservatismus", offensichtlich von englisch "conservatism".
Aber zu dem deutschen Adjektiv "konservativ" gehört als Substantiv
"Konservativismus". Da Sie gelernter Schriftsetzer sind, noch eine
Anekdote aus meiner Zeit als Redakteur: Bei Büxenstein wollte ein
Setzer etwas in meinem Manuskript ändern, von welchem (ihm nicht zustehenden) Tun er nur mit großer Mühe abzuhalten war. Er wandte
sich dann mit seiner Vorstellung an die Ges. f. dt. Sprache und zeigte
mir triumphierend deren Antwort: Natürlich haben Sie recht – e s
s e i d e n n, d e r Au t o r m e i n t e … [Und genau das h a t t e "der Autor" natürlich gemeint.]
Auch wenn das mit dem Thema des Beitrags an sich nichts zu tun hat: Sie meinen „Konservatismus“ als Substantivierung von „konservativ“? Nun, jetzt, da Sie es sagen, haben Sie so Unrecht nicht: Es klingt doch irgendwie konstruiert, so als wäre „Konstruktivismus“ die Substantivierung von „konstruieren“. Zeit, ein neues Substantiv für „konservativ“ einzuführen!
Nette Anekdote!
Nicht alles, was blöd klingt, ist blöd. Und nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich.
Grammatisch als Synonym für grammatikalisch zu verwenden, ist grammatikalisch falsch. Es ändert nichts daran, wenn man es nicht versteht oder aus Angst, dass andere es nicht verstehen, sich eines falschen Begriffverständnisses zu ergeben.
Sich an der Mehrheit zu orientieren, ist auch nicht die geeigneten Methode, um zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Die Mehrheit liegt nicht automatisch richtig. Gerade in Sachen sprachlicher Richtigkeit.
Du spricht mir aus der Seele! 😊
Wie dürfen wir denn die Fehler in Ihrem Kommentar bezeichnen, Herr/Frau Squirrel: als grammatische oder als grammatikalische?
Sein bzw. ihr Kommentar enthält nur zwei grammatikalische Fehler.
Es gibt keine grammatischen Fehler. „Grammatikalisch” bezeichnet die Richtigkeit der Grammatik; „grammatisch” bezeichnet das Wesen der Grammatik.
Und der Fehler in Ihrem eigenen vorigen Kommentar ist dann sicherlich grammatikalischer Natur?
Ja, er ist das. Ich habe mich da verschrieben und es nicht gemerkt. 😉
[Entfernt. Bitte begründen Sie Ihre Kritik sachlich; danke! Der Administrator]
Hallo,
auch wenn ich "grammatisch" benutze, wie verhält es sich denn mit "musisch/musikalisch" bzw. "physisch/physikalisch"? Bisher konnte ich hier nur Argumente für die jeweils kurze Variante lesen; demnach müsste "physikalisch" und "musikalisch" ebenfalls falsch oder veraltet sein.
Gruß, Torsten
Hallo, Torsten,
die von dir genannten Beispiele sind für den Vergleich mit „grammatisch/grammatikalisch“ wenig geeignet. Ersteres Beispiel kommt nicht von Musik, sondern von der Muse, betrifft also die Künste. Daher sind die unterschiedlichen Formen „musisch“ und „musikalisch“ vollkommen gerechtfertigt. Selbiges gilt für dein zweites Beispiel, denn „physisch“ ist nicht das Adjektiv von Physik, sondern von der Physis, der körperlichen Beschaffenheit der Dinge.
Übrigens: Auch wenn der Duden sowohl „grammatisch“ als auch „grammatikalisch“ aufführt, so findet sich in den digital-elektronischen Rundschreiben der Duden-Redaktion ausschließlich erstere Form. Unter „grammatikalisch“ wird sogar aufgeführt: „(seltener für grammatisch)“.
Frohes Schaffen!
Lieber Herr Filkas,
gerade bin ich über Ihre Seite gestolpert und bin total begeistert – z. Bsp. wegen Ihres grammatisch richtigen Artikels über das Grammatikalische ;-). Das wollte ich nur geschrieben haben – und mich dafür bedankt natürlich auch. Mit freundlichen Grüßen…
Offensichtlich haben Sie sich beim Stolpern nicht wehgetan und sogar einen Kommentar hinterlassen. Danke dafür wie auch für das Lob!
Hallo Herr Filkas,
ich widerspreche Ihnen entschieden.
Ihre Beispiele (Wörter, deren Adjektive nicht auf „tikalisch” enden) unterstützen Ihre Entscheidung nicht.
Wie man in „Belles Lettres: Deutsch für Dichter und Denker” lesen kann, gibt es einen Unterschied im Inhalt von „grammatisch” und „grammatikalisch”. Es ist kein Argument, dass nur wenige Menschen diesen Unterschied verstehen und dass man nur sehr selten vom Wesen der Grammatik spricht. Es gibt das Wesen der Grammatik und die Korrektheit verwendeter Grammatik (zwei unterschiedliche Dinge), weswegen das Unterscheiden zwischen „grammatikalisch” und „grammatisch” sinnvoll ist.
Daher ist das Verwenden von „grammatisch” als Alternative zu „grammatikalisch” falsch – umgekehrt gilt das Gleiche.
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard
Hallo, Bernhard,
kann ich Ihnen beim zweiten Absatz noch zustimmen, so führe ich im Hinblick auf die letzten beiden erneut die „Belles Lettres” an. Dort heißt es im letzten Absatz:
Wobei selbst der letzte Satz nicht so ganz eindeutig ist: Kann jemand nicht auch grammatisch falsch sprechen?
Die Unterscheidung ist also hauptsächlich für Fachleute sinnvoll, an die sich dieses Weblog jedoch nur in Ausnahmefällen richtet. Wir behandeln hier zumeist konkrete grammatische Fragestellungen, aber nur höchst selten solche, die die Grammatik als Fachgebiet betreffen.
Mit bestem Gruß
Ronald M. Filkas
Hallo Herr Filkas,
wenn jemand einen Fehler in verwendeter Grammatik begangen hat, hat er einen grammatikalischen Fehler begangen. Dies ist das, was mit dem letzten von Ihnen zitierten Satz aus Belles Lettres gesagt wurde.
Die Wörter „grammatikalisch” und „grammatisch” haben unterschiedliche Bedeutungen.
Für die meisten Menschen ist der Unterschied nicht relevant. Es gibt ihn jedoch.
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard
Hallo, Herr Bernhard,
sind Sie bitte so freundlich, und erklären mir als Lai*ineri*innin den Unterschied mal genau zwischen dem Grammatik-Wesen und der korrekt verwendeten Grammatik?
Wann jetz mit ikal oder kali? Bin ganz durchn Tütel jetz. Keine(r) meine(r) DeutschlehrerInnen (LeereRinnen?) hat nie grammatikalisch gesagt. Aber vielleicht doch und ich war gerade draußen oder krank oder so.
Danke von Frau Andrea
Werte Frau Andrea resp. werter Herr Olljahn,
meine(r) aus nicht, aber ich werde die Kommentarmöglichkeit jetzt schließen. Es ist alles gesagt.
Himmel, was für eine Haarspalterei! Ich wollte wirklich wissen, ob es einen relevanten Unterschied zwischen den beiden Wörtern gibt, jetzt bin ich bestärkt in meiner Meinung: der Unterschied besteht in Haarspalterei! Das Wort grammatikalisch kommt daher wie der Beau nach dem Bad – mit gegelten Haaren!
Nein – beide Wörter haben unterschiedliche Bedeutungen. Daher ist die Existenz beider Wörter legitim.
Es wäre nett, wenn Sie weniger aufgeregt schrieben (keine Ausrufezeichen).
Schon lustig, welche Ausmaße die Diskussion seit meinem ersten Kommentar hier angenommen hat!
Ok. Ich habe zwar Germanistik studiert und unterrichte Deutsch, aber habe jetzt doch etwas dazu lernen können. Ich kann also z.B. zwischen verschiedenen grammatikalische Formen wählen und möchte dabei möglichst grammatische Fehler vermeiden.
Immer wieder wunderbar, die Mölglichkeiten der exakten Beschreibung, welche die deutsche Sprache bietet.
Korrektur: "… zwischen grammatikalischen Formen wählen." Sorry. Hihi. Ein grammatischer Fehler, der aber eher ein Tippfehlet war.
Und gleich noch zwei Korrekturen: „[…] die Möglichkeiten der exakten Beschreibung“, nicht „Mölglichkeiten“, und „Tippfehler“ sieht auch besser aus als „Tippfehlet“. Aber danke für die Kommentare!
[Entfernt. Bitte bleiben Sie beim Thema des Beitrags! Der Administrator]
Hallo
Vorab: Ich habe weder Germanistik, noch etwas in diese Richtung studiert. Jedoch, denke ich, gibt es definitiv mehr als nur feine Unterschiede zwischen grammatisch und grammatikalisch.
Beziehe ich mich konkret und direkt auf die Grammatik, ist "grammatikalisch" mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die richtige Wahl.
Da es im Beispiel – "In diesem Satz sind grammatikalische Fehler zu finden" – um die grammatikalische Anwendung der Grammatik geht.
Anders ist es wenn ich generell/allgemein über Grammatik rede/schreibe.
Denn in dem Beispiel – "Die russische und deutsche Sprache weisen jeweils konkrete grammatische Unterschiede auf" – geht es eindeutig um Grammatik an sich. Nicht aber zwangsläufig um ihre Anwendung, da die sprachlich grammatischen Unterschiede selbsterklärend sind (oder es zumindest sein sollten) und somit nicht von Fehlern die Rede sein kann.
Russische Grammatik ist also nicht grammatikalisch falsch, sondern schlichtweg grammatisch anders als die Deutsche.
Ein fehlerhafter, in deutsch verfasster, Satz jedoch, ist nicht grammatisch anders als ein anderer, fehlerfreier, in deutsch verfasster Satz – sondern schlichtweg grammatikalisch falsch.
Meine Rechtschreibfehler sind grammatikalisch falsch. Mein Text ist wiederum grammatisch gesehen eindeutig deutscher Natur.
Ich hoffe, dass ich mich, trotz des mangelnden akademischen Grades, verständlich und grammatikalisch mindestens ausreichend ausgedrückt habe.
Liebe Grüße
Martin
Treffender sowie kürzer
Russisch vs Deutsch = grammatisch grundsätzlich anders.
Grammatikalisch falsch/richtig, je nach Wissens-/Bildungsstand oder (ich vermute nur) je nach Gebieten und oder lokalen Dialekten
Deutsch vs Deutsch = grammatisch gleich.
Grammatikalisch falsch: Er ist schneller gerannt als wie Sie.
Grammatikalisch richtig: Sie ist wahrscheinlich belesener als er.
Hallo, Martin,
es braucht weder ein Germanistikstudium „noch etwas in diese Richtung“, um hier partizipieren zu können; auch sind Kommentare „trotz des mangelnden akademischen Grades“ möglich!
Ich habe aber auch aus Ihrem ersten Kommentar schon verstanden, worauf Sie hinauswollen, sodass es Ihres zweiten nicht mehr bedurft hätte. Es scheint sich eine Mehrheit herauszubilden, die sehr wohl einen Unterschied zwischen „grammatisch“ und „grammatikalisch“ sieht.
Grüße zurück!
Die geschilderte Ableitung und Begründung der Daseinsberechtigung von "grammatikalisch" ist meiner Meinung nach frei erfunden. Es sollte nur "grammatisch" geben, auch wenn mit den zwei Bedeutungen (wenn überhaupt sie existieren).
In beiden Fällen geht es um die Grammatik, als Sammlung aller Regeln der Sprache. Einerseits ob eine Sache sich auf Grammatik bezieht, andererseits ob eine Formulierung mit der Grammatik im Zusammenklang ist. Beides Male kommt man bei der Wortbildung auf "grammatisch". Jemand wollte nur wichtig sein 😉
Anders sieht es aus mit Physik (Lehre der Funktionsweise der materiellen Welt) und Physikum (Aufbau des Menschen). Zwei unterschiedliche Wortstämme, zwei unterschiedliche Entitäten bei "physisch" und "physikalisch", alles korrekt.
meine Sichtweise anders formuliert:
die einzige Frage hier ist, ob die Wortbildung mit "-isch" korrekt umgesetzt wird, die beigemessene Bedeutung der Wörter sind dabei irrelevant. Als Wortstamm gibt es nur das Wort "Grammatik", sodass es "grammatisch" heißen muss, egal ob man sich auf die Grammatik als Ganzes bezieht oder sagen will, ob etwas ihren Regeln entspricht.
Das entspricht weitgehend meinen Gedanken zum Thema. Interessant hierzu ist auch, um den in meinem Beitrag bereits zitierten Beitrag bei Wortgebrauch und Verwechslungen: „grammatisch oder grammatikalisch?“ noch einmal anzuführen, dass zwar die negierte Form „ungrammatisch“ existiert, „ungrammatikalisch“ aber kaum Verwendung findet!
Ich empfehle allen hierzu eine (erneute) Lektüre dieses Beitrags!
Ich finde das Beispiel mit musisch vs. musikalisch durchaus angebracht.
Wenn "musisch" sich von Muse herleitet und nicht von Musik (habe ich jetzt etymologisch nicht überprüft, aber kommt mir plausibel vor) deswegen dann gilt
Muse → musisch
Musik → musikalisch
Nichtsdestotrotz würde dies aber zeigen, dass es durch zulässig wäre – anders als im Kommentar vor mir von kszaboa behauptet – ein Adjektiv auf diese Weise zu bilden. Damit wäre dann auch "grammatikalisch" legitimiert, denn genau wie bei musikalisch wäre also diese Form der Wortbildung zulässig und aufgrund der abweichenden Bedeutung zwischen grammatisch und grammatikalisch auch erforderlich. Dasselbe gilt für "physikalisch". Offensichtlich wurde hier ebenfalls das Adjektiv durch Anhängen von "alisch" an das ganze Wort "Physik" gebildet, weil "physisch" schon besetzt war. Interessant dabei auch zu sehen, wie sich die sprachliche Entwicklung zwischen den Ländern unterscheiden kann, denn im Englischen wird beides mit demselben Wort "physical" bezeichnet. Also
ein physikalisches Experiment → a physical experiment
die physische Form → the physical form
Insofern weicht zwar mathematisch und politisch von grammatikalisch ab. Aber das tut physikalisch ebenfalls und da die Mathematik und die Physik beides (sich sogar nahestehende) Naturwissenschaften sind, sollten vielleicht erstmal die Naturwissenschaftler ihre Widersprüche
Mathematik → mathematisch
aber
Physik → physikalisch
auflösen, bevor wir grammatikalisch beerdigen.
Bis dahin halte ich mich daran, dass die Standardbildung zwar wie bei charakteristisch, didaktisch, kritisch, logistisch und polemisch die kurze Form ist, aber bei abweichenden Bedeutungen die Langform (musikalisch, physikalisch und grammatikalisch) eben durchaus ihre Berechtigung hatte und diese anscheinend auch über Jahrhunderte durchgehalten hat und ich jetzt nicht dazu beitragen werde, diese abzuschleifen. Der Duden läuft nach meinem Verständnis übrigens letztlich nur der faktischen Entwicklung hinterher und taugt daher prinzipiell nicht als Werk zur Sprachbildung. Dort war – zum Entsetzen meines Lehrers – auch die Pluralbildung Kaktusse und Atlasse bereits in einer Ausgabe von 1954 als zulässig verzeichnet.
Interessante Gedanken, aber dass der Duden „prinzipiell nicht als Werk zur Sprachbildung“ dient, sondern eher der ‑abbildung, hat auch niemand behauptet. Das ist selbst dort nachzulesen unter „Wie kommt ein Wort in den Duden?“
In dem Zusammenhang wäre es auch interessant, wieso bei dem Wort Republik keine der beiden Adjektivbildungen zum Tragen kommt, denn das Adjektiv lautet republikanisch und nicht republikalisch oder republisch.
Ebenso bei der Antike: Dinge sind antik, aber nicht antisch oder antikalisch.
Ich bin bei Bernhard und Tronar, "grammatisch" ist nicht gleich "grammatikalisch".
Die Teilnehmenden in meinen Deutschkursen machen oft grammatikalische Fehler, weil sie das grammatische Geschlecht eines Wortes nicht kennen. Der Unterschied ist doch gar nicht so schwer zu verstehen.
Übrigens geht es in der aktuellen Gender-Debatte recht oft um das grammatische Geschlecht. Es handelt sich also nicht länger nur um eine Diskussion um Grammatik unter Experten, sondern um eine gesellschaftliche Debatte. Da in dieser hart um Endungen gerungen wird, sollte man auch bei der Unterscheidung grammatisch/grammatikalisch genau sein.
Hallo Margit,
kannst du bitte erklären, was der Unterschied sei, was man doch so einfach verstehen könnte. Es gibt keinen meiner Meinung nach. Der Fehler entsprach nicht die Regel, der Grammatik, und die Wörter haben Geschlechter nach der deutschen Grammatik. Beide beziehen sich auf die Grammatik.
Und dann gleich, warum "matematikalisch" nicht existiert. Nach deiner Logik müsste es geben, logikalisch!
Hallo kszaboa,
das eine ist schon lange da, es ist unstrittig, das grammatische Geschlecht einer Sache ist somit grammatik-inhärent (Beispiel: die Stuhllehne. Alle, die des Deutschen mächtig sind, sind sich einig, dass Stuhllehne mit dem Artikel "die" gebildet wird. Wenn aber jemand "der Stuhllehne" sagt, dann hat er oder sie einen grammatikalischen Fehler begangen. So war es gemeint.
Und nun zum Thema Logik: Wer denkt, dass das Deutsche (und generell Sprachen) grundsätzlich logisch sind, liegt falsch. Es ist ein gewachsenes Sprachsystem, in dem sich Dialektales, Umgangssprachliches, Fachsprachliches, Internationalismen usw. munter mischen und teilweise beißen. Sprache ist nicht pure Logik, sondern Konvention. Beim einen Wort wurden feinere Unterscheidungen getroffen, beim anderen nicht. Die Frage nach "mathematikalisch" ist also berechtigt, sie kann aber nicht logisch beantwortet werden. Wenn jedoch führende Mathematik-Professoren 30 Jahre lang von mathematikalischen Fehlern reden würden, dann könnte auch dies in die Alltagssprache Eingang finden.
Hallo Margit,
vielen Dank für die Erklärung. Ich habe mehrere Anläufe genommen, mir blieb der vermeintliche Unterschied weiterhin verborgen. Sachen haben nach der Systematik der deutschen Grammatik Geschlechter, und wenn jemand den entsprechenden Artikel nicht den Konsensen, die in der deutschen Grammatik anwendet, handelt falsch. Das heißt, Sachen haben grammatische Geschlechte, und der Fehler grammatisch ist. Beide Situationen bezogen sich auf die Grammatik. Hier haben wir mit einem Wort zu tun, die aus dem Wortstamm "Grammatik" gebildet wird. Ein zweites Wortstamm ist mir nicht nachvollziehbar. Soll es etwa "Grammatikal" sein? Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass hier sich einmal um korrekte und einmal um falsche Vorgehensweise bei der Wortbildung handelt. Korrektes Deutsch und falsches Deutsch. Nur weil ein Mathematikprofessor 30 Jahre lang "mathematikalischen Fehler" sprechen würde, würde es genauso schlechtes Deutsch bleiben, wie es am ersten Tag war. Die Regeln der Wortbildung sind schon streng logisch, auch wenn die Sprache als ganzes nicht ist. LG
Hallo kzaboa,
ich stimme nicht zu, dass die Wortbildung streng logisch ist.
Ein Beispiel: Wetterlagen. Da sind ebenfalls Adjektive aus Nomen entstanden. Etliche enden auf g, wie neblig, sonnig, wolkig, windig. Daneben gibt es aber die Worte stürmisch und regnerisch. Die Endung variiert also, obwohl es sich um aus Nomen gebildete Adjektive zu einem Themenkreis (Wetterlagen) handelt. Dahinter steckt demnach eben keine Logik. Es hat sich stattdessen einfach so eingebürgert.
Grüße von Margit
Ohne im Moment sagen zu können, was diese unterschiedlichen Endungen begründet, denke ich, dass hier nicht von „einfach so eingebürgert“ gesprochen werden kann.
Aber das führt an dieser Stelle zu weit vom eigentlichen Thema weg. Deshalb ich möchte Sie und „kzaboa“ an dieser Stelle bitten, Ihre Diskussion zu beenden, da Sie sich bereits hinreichend ausgetauscht hatten. Eigentlich ist hierzu sowieso bereits alles gesagt, sodass ich die Kommentarfunktion auch schließen könnte. Es gibt Befürworter/-innen und Gegner/-innen des Unterschieds zwischen „grammatisch“ und „grammatikalisch“; eine Einigung wird nicht stattfinden.