War die Rechtschreibung früher besser?

Schreibende Hand

Es wird häufig darüber gestritten, ob die Rechtschreibung früher besser war. Nach der Lektüre alter Briefe kommt der Autor zu dem Schluss: Ja, sie war es!

Die Frage, ob früher alles besser war, ist meist unergiebig und kommt kaum über ein Stammtischniveau hinaus. Manches mag früher besser gewesen sein, manches aber auch nicht. Die Beurteilung, was für was und wen gilt, hängt doch stark vom subjektiven Geschmack und der persönlichen Meinung ab. Eine objektive Beweisführung stellt sich meist als schwierig dar. Doch gilt dies auch für unsere Schreibfähigkeit? War die Rechtschreibung früher besser?

In alten Briefen geschmökert

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So schrieb man früher. (Riksarkivet/ foto.digitalarkivet.no/ Wikimedia Commons)
Vor Kurzem war ich auf der Suche nach zwei alten Schreiben meiner Mutter an das Kreiswehrersatzamt und an das Verwaltungsgericht. Es ging damals um meine Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen. Ich fand die Schreiben tatsächlich zuunterst in meiner Briefschatulle. Bei der Gelegenheit habe ich begonnen, wieder einmal in alten privaten Briefen und Karten zu schmökern, die bis etwa in die Mitte der 1970er-Jahre zurückreichen. Was mir bald auffiel: Es fanden sich nur wenig Fehler; die Rechtschreibung war früher besser!

Rechtschreibung früher besser

Wir haben hier bereits darauf hingewiesen, dass wir alle Schreibfehler machen und warum. Zu den auffälligsten gehören die Kommafehler und fehlende Bindestriche. Gerade letztere Unsitte nimmt immer mehr zu. Ein weiterer verbreiteter Fehler ist die Unsicherheit bei der Verwendung von „dass“, früher bekanntlich mit einem ß geschrieben, die häufig an Nichtwissen grenzt. Je länger ich mit der Lektüre dieser alten Briefe fortfahre, desto mehr komme ich zu der Erkenntnis, dass die Rechtschreibung früher besser war!

Eine Frage des Bildungsniveaus?

Gut, Sie werden möglicherweise kontern, dass alles eine Frage des Bildungsniveaus sei. Zugegeben: Die Briefschreiber/-innen verfügten, wie ich damals auch, zumeist über die mittlere Bildungsreife, also ein Realschul-Niveau. Aber wenn sich heute bereits Universitätsprofessoren darüber beschweren, dass das sprachliche Niveau der Studentenschaft immer schlechter wird, wie mag das bei heutigen Gymnasiasten aussehen?

Neu sind Klagen über nachlassende Deutschkenntnisse nicht. Schon zu Zeiten meines Germanistikstudiums (und die sind sehr lange her!) mokierte sich Professor Leonhard M. Fiedler angesichts der von wechselnden Teilnehmern anzufertigenden Seminarprotokolle über schlechte Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung sowie den vielfach schlechten Stil. Gerade im Zusammenhang mit einem Studium der Germanistik sei deren Beherrschung jedoch äußerst wichtig, brachte er laut sein Unverständnis zum Ausdruck, und fragte, warum man ausgerechnet dieses Studienfach gewählt habe, das doch eben auch mit (korrektem) Schreiben zu tun hat, man dies aber selbst nicht beherrsche.

Je mehr die Fehler, desto weniger ein Korrektorat

Deleaturzeichen
Die Bereitschaft, einen Korrektoren zu suchen, sinkt bei gleichzeitiger Zunahme von Fehlern.

Wir tun vieles dafür, uns beruflich weiterzubilden, und selbst für den privaten Bereich besuchen wir Kurse aller Art, um fachlich auf dem neusten Stand zu sein oder sich neue Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen. Tun wir dies auf sprachlichem Gebiet jedoch auch? Oder, ketzerischer gefragt, waren wir überhaupt jemals auf einem entsprechenden sprachlichen Niveau, das mit unserer Selbsteinschätzung und der anderer objektiv mithalten kann?

Als Korrektor und Lektor werde ich einerseits zwar tagtäglich mit Sprachfehlern konfrontiert, die mir überall und immer häufiger begegnen, andererseits jedoch ist die Bereitschaft, professionelle Hilfe in Form eines Korrektorats zu suchen, immer weiter am Sinken. Und das ist nicht minder besorgniserregend als die Tatsache, dass die Rechtschreibung früher besser war!

Siehe auch

Ronald M. Filkas
Gelernter Schriftsetzer im Handsatz, Studium der Germanistik, zertifiziert abgeschlossene Fortbildungen „Web-Publishing Schwerpunkt DTP“ und Online-Redaktion, langjährige Erfahrungen als Schriftsetzer/ DTP-Fachkraft und als Korrektor und Lektor in Druckereien, Redaktionen und Verlagen. Mehr? Seite „Über mich“!

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