Es gibt kaum ein Satzzeichen, das für mehr Verwirrung sorgt als das Auslassungszeichen Apostroph. Heißt es nun der oder das Apostroph? Wann wird dieses Zeichen gesetzt und wann nicht? Der Autor erklärt, auch im Hinblick auf dessen Typografie und Geschichte.
Das Auslassungszeichen, auch das Hochkomma oder der Oberstrich, ist eines der Satzzeichen im Deutschen, das mit am meisten für Verwirrung und Unsicherheit sorgt. Und nicht nur im Deutschen übrigens, wie wir noch lesen werden! Aber wann setzen wir es eigentlich und wann nicht? Und heißt es der oder das Apostroph?
Nun, letztere Frage lässt sich noch am leichtesten beantworten: Es ist der Apostroph! Bei dessen Anwendung kann es allerdings zu einigen Schwierigkeiten kommen, weil nicht nur einzelne Buchstaben, sondern auch Wortteile oder ganze Wörter ausgelassen werden können.
Der Apostroph steht
Bei der Auslassungen von Buchstaben oder Wortteilen, vorwiegend in der Verschriftlichung gesprochener Sprache, kommt das Auslassungszeichen zur Anwendung. In der täglichen Umgangssprache „apostrophieren“ wir mehr als in der Schriftsprache, wir „verschlucken“ Buchstaben und ganze Wortteile. Soll gesprochene Sprache wortwörtlich in einen Schriftsatz „transkribiert“ werden, kommen wir um die Anwendung von Apostrophen nicht herum.
Wenn Buchstaben am Anfang eines Wortes ausgelassen werden und das Wort dadurch schwer lesbar oder missverständlich ist, steht häufig ein Auslassungszeichen. Dabei erscheint vor dem Apostroph der gewöhnliche Wortzwischenraum und die verkürzten Formen werden auch am Satzanfang kleingeschrieben. Beispiele:
Wirf die Decken und ’s (= das) Gepäck ins Auto.
’s (= Es) ist nun mal nicht zu ändern.
Gehen S’ ’nauf! (= Gehen Sie hinauf!).
So ’ne (= eine) Blamage!
Außerdem steht der Apostroph bei Auslassungen im Wortinneren (bekanntestes Beispiel: Ku’damm = Kurfürstendamm, nicht also Kudamm, wie häufig gesehen!), zur Markierung des Genitivs bei Substantiven, die auf s, ß, z oder x enden (Beispiele: Delacroix’ Gemälde, Peter Weiss’ Filme) und bei Ableitungen von Namen, die mit ‑sch gebildet werden (Beispiele: Schubert’sche Lieder, aber: schubertsche Lieder, Grimm’sche Märchen, aber: grimmsche Märchen).
Man kann einen Apostroph setzen, wenn das Pronomen „es“ mit dem vorangehenden Wort zusammengezogen wird:
Hätten Sie’s gewusst?
Der Apostroph steht nicht
Da die Verbindungen in den folgenden Beispielen im Allgemeinen nicht schwer lesbar sind, ist das Setzen eines Auslassungszeichens oft nicht notwendig. In diesen Fällen setzen wir natürlich auch keinen Wortzwischenraum:
Mir gehts gut.
Sie macht sichs gemütlich.
Der Apostroph steht im Allgemeinen auch nicht, wenn es sich um allgemein übliche Verschmelzungen aus Präposition und Artikel handelt:
Der Gauner wollte ihn hinters (= hinter das) Licht führen.
Unterm (= unter dem) Weihnachtsbaum lagen die schönsten Geschenke.
Bei sehr gebräuchlichen Auslassungen mit „… das“ steht kein Apostroph:
ans, aufs, fürs, ins, übers, unters
Falsch wären also: an’s, auf’s, für’s, in’s, über’s, unter’s!
Ebenfalls regelwidrig ist der Apostroph beim Imperativ der zweiten Person, da das Auslassen der Imperativendung ‑e als regelkonform akzeptiert ist:
Geh mit mir.
Falsch wäre also: Geh’ mit mir!
Der Genitiv-Apostroph
Einen Sonderfall stellt der Genitiv-Apostroph dar. Zur Abtrennung des Genitiv‑s darf das Auslassungszeichen grundsätzlich nicht gesetzt werden! Zugelassen ist es nur ausnahmsweise zur Verdeutlichung von Eigennamen. Bei „Andrea’s Friseursalon“ etwa mag der Apostroph zur Unterscheidung von „Andreas Friseursalon“ dienen, aber diese Schreibweise wäre auch nicht korrekt, da es „Andreas’ Friseursalon“ heißen müsste. So darf häufig bezweifelt werden, ob die neuerdings erlaubte Möglichkeit tatsächlich zur Verdeutlichung von Eigennamen dient, öffnet sie doch dem Missbrauch Tür und Tor!
Zur Feintypografie des Apostrophs
Der Apostroph wird korrekt als eine kleine 9 und nicht als eine 6 dargestellt und entspricht dem Komma, weshalb auch die Bezeichnung „Hochkomma“ geläufig ist. Ein Beispiel für eine doppelt falsche Anwendung (überflüssig und typografisch) findet sich in einem Bildschirm-Schnappschuss aus der „Heute-Show“ (öffnet in neuem Fenster!).
Nachdem das Zeichen auf der Tastatur angeklickt und in ein Schriftstück eingefügt wurde, sollten Sie unbedingt kontrollieren, ob es tatsächlich als eine kleine 9 und nicht als undefinierbares Zäpfchen dargestellt wird. Das geschieht häufig, wenn Sie es mittels des Apostrophs über dem #-Zeichen anklicken. Nicht alle Text- oder Satzprogramme wandeln es nämlich korrekt um! Auf der sicheren Seite ist, wer das Zeichen nicht über die Tastatur, sondern über die Sonderzeichenauswahl der verwendeten Schrift oder mittels eines Tastaturkürzels in das Dokument einfügt.
Zur Wortherkunft von „Apostroph“
Das Wort „Apostroph“ kommt vom spätlateinischen apostrophos aus dem griechischen apóstrophos, dort eigentlich für „abgewandt, abfallend“, zu: apostréphein. Letzteres führte auch zu einer anderen Bedeutung, nämlich zu der Apostrophe, einer überraschenden Hinwendung eines Redners zum Publikum oder zu abwesenden Personen.
Zur Geschichte des Apostrophs
Die Verwendung des Apostrophs in der deutschen Sprache hatte sich im Lauf der Geschichte, in der er auch als Hinterstrich, Nachstrich, Oberstrich, Oberhäkchen, Hochkomma und Auslassungszeichen bekannt war, mehrfach geändert. Eine Auseinandersetzung in Öffentlichkeit und Fachkreisen über die korrekte bzw. die wahrgenommene häufige falsche Verwendung des Apostrophs ist daher kein neues Phänomen. Was heute falsch ist, konnte früher durchaus richtig gewesen sein!
So war der Genitiv-Apostroph im 19. Jahrhundert noch allgemein üblich („Goethe’s Werke“), sogar gegen Ende des 18. Jahrhunderts der Plural-Apostroph (Beispiele: die Papa’s, die Uhu’s, die Kadi’s, die Motto’s)! In dieser Zeit wurden traditionsreiche Handelsmarken mit dieser Art von Auslassungszeichen gegründet: Hoffmann’s Stärkefabriken (gegründet 1850), Beck’s Bier (1873) oder Kaiser’s Kaffee Geschäft (1880). Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann eine Diskussion darüber, ob der Gebrauch in diesen Fällen tatsächlich notwendig ist.
Der heute immer häufiger auftretende Missbrauch des Genitiv-Apostrophs schuf denn auch in Anlehnung an die „Deppenleerzeichen“ den Terminus „Deppenapostrophe“. Auch der Begriff „Apostrophitis“ für die Angewohnheit, falsche Apostrophe wie etwa bei „abend’s“, „Auto’s“, „CD’s“, „nicht’s“, „recht’s“, „samstag’s“, „Snack’s“ usw. zu setzen, ist bekannt. Kein Wunder: Beispiele wie „Steak's“ möchte man am liebsten überhaupt nicht sehen! Auch Werber liegen häufig falsch. So schufen diese 2010 mit dem Motto „Die richtige Zeit für’s eigene Heim“ für eine große deutsche Bank, das auf Plakaten und auf der Website prangte, eine Werbekampagne, die für viel Hohn und Spott sorgte.
Missbrauch des Apostrophs in anderen Sprachen
Das Plural‑s abzuapostrophieren, ist keineswegs eine deutsche Unsitte. Diese missbräuchliche Verwendung findet sich recht häufig auch in Großbritannien, wo man sie in Anlehnung an den deutschen Deppenapostrophen idiot’s apostrophes oder auch greengrocer’s apostrophes, grocer’s apostrophes, rogue apostrophes nennt. In den Niederlanden hingegen werden beispielsweise das Mehrzahl- und das Genitiv‑s abgetrennt, wenn das Wort auf a, e, i, o, u oder y endet (Beispiele: opa’s, ave’s, auto’s, accu’s, baby’s wie bei opa’s huis, baby’s kleertjes).
Allerdings entstehen aufgrund von Unsicherheiten (oder Unwissenheit) im Gebrauch in beiden Sprachen häufig Fehler – ganz wie im Deutschen!
(Inspiriert durch: Erste Hilfe – Die hundert häufigsten Fehler. Rechtschreibung, Grammatik & Co., Mannheim 2015)
Sie erklären hier anfangs, dass es „der Apostroph“ heißt, und verwenden selbst das falsche Genus: „Man kann ein Apostroph setzen, wenn das Pronomen „es“ mit dem vorangehenden Wort zusammengezogen wird“. Irgendwie peinlich …
[Danke für den Hinweis; das eine Vorkommen bei etwa 40 Nennungen des Worts wurde korrigiert. Der Autor]