Falsche Kleinschreibung bei Substantivierungen ist zum Verzweifeln! So wie hier gesehen in einer Stellenanzeige. Eine Gelegenheit, sich einmal mit der Hauptwortbildung zu beschäftigen.
Substantivierungen, auch Nominalisierung oder Hauptwortbildung genannt, sind Bildungen von Substantiven aus einer anderen Wortart, vor allem aus Verben und Adjektiven. Das heißt, dass wir die substantivierten Verben oder Adjektive großschreiben, da sie, wie das Wort Substantivierung schon sagt, zu einem Substantiv werden. Also zu einem Hauptwort. Und die schreibt man nun einmal groß und nicht klein, wie im oben gezeigten Beispiel aus einer Stellenanzeige einer Offenbacher Werbeagentur für eine(n) DTP-Operator/-in und Reinzeichner/-in gesehen!
Substantivierungen von Verben
Ein einfaches Beispiel für eine Substantivierung ist
Das Laufen fällt mir schwer.
Das Verb „laufen“ wird hier zu einem Hauptwort.
Manche Substantivierungen sind jedoch nicht sofort erkennbar:
Die Lauferei fällt mir schwer.
Hier wird das Verb „laufen“ um ein Suffix „-erei“ ergänzt.
Das Geheule nervt.
Hier erhält das Verb „heulen“ das Präfix „Ge-“.
Es gibt übrigens auch Wörter, bei denen fast nur noch die Substantivierung bekannt ist und nicht mehr das Verb, aus dem sie entstand, so etwa beim Geschnetzelten (vom Verb „schnetzeln“).
Die Bildung von Komposita
Die deutsche Sprache hat eine wunderbare Eigenschaft: die Bildung von Komposita. Die dabei entstehenden Konstruktionen, ob mit Bindestrich oder nicht, werden grammatisch in jedem Fall wie Substantive behandelt: das Kaffeetrinken, das Gegen-den-Wind-Predigen. Steht der letzte Teil einer solchen Wortzusammensetzung allein, so schreiben wir diesen Teil immer groß! Und bitte ohne Leerzeichen, wo Bindestriche nötig sind!
Dies gilt übrigens auch, wenn vor dem substantivierten Infinitiv ein Reflexivpronomen steht. Um das Verständnis zu erleichtern, sollten Sie das Reflexivpronomen nach Möglichkeit mit hinzunehmen, also: das Sicherinnern, das Sich-immer-wieder-Wundern.
Substantivierungen von Adjektiven
Auch Eigenschaftswörter können substantiviert werden.
Die Länge ist schwer zu schätzen.
Hier wird das Adjektiv „lang“ mit dem Suffix „-e“ zu einem Substantiv.
Die Reinheit dieses Diamanten ist unübertroffen.
Hier ist es das Adjektiv „rein“, das mit dem Suffix „-heit“ zu einem Substantiv wird.
Auch in diesen Fällen gibt es Beispiele dafür, dass fast nur noch die Substantive bekannt sind, so etwa der Beamte bzw. die Beamtin (vom veralteten Verb „beamten“ und von „beamtet“).
Das Gegenteil von Substantivierungen
Ja, auch das gibt es: Desubstantivierungen! Hier wird aus einem Substantiv eine andere Wortart geformt.
Desubstantivierungen zu Verben
Das Wort „Kreuz“ kann durch Anhängen des Suffixes „-ig“ zum Verb „kreuzigen“ werden, das Wort „Schauspiel“ durch Konversion zum Verb „schauspielen“ oder zum abwertenden „schauspielern“.
Desubstantivierungen zu Adjektiven
Das Substantiv „Glück“ wird mit dem Suffix „-lich“ zum Adjektiv „glücklich“, das Substantiv „Kind“ mit Suffix „-los“ und Fugenelement „-er-“ zu „kinderlos“.
Ausnahmen von der Großschreibung
Der Haken bei den Substantivierungen: Es gibt auch Ausnahmen von der Großschreibung. Etwa in feststehenden Wortgruppen wie „durch dick und dünn“, „über kurz oder lang“, „von nah und fern“. Auch in Zitaten bleibt es in bestimmten Fällen bei der Kleinschreibung:
Er beendete jeden Satz mit einem lauten „jawoll“.
Substantivierung zum Verzweifeln?
Eigentlich gar nicht! Übrigens werden Sie es inzwischen erkannt haben: „zum Verzweifeln“ ist auch eine Substantivierung. Nach der aufmerksamen Lektüre erkennen Sie nun sicherlich, woraus sie gebildet wird. Und bei der Gelegenheit: Das häufig gesehene „zum mitnehmen“ ist auch eine, aber ebenso eine mit falscher Kleinschreibung wie ganz oben! Ob man deshalb fast ausschließlich auf das unsägliche Denglisch „to go“ ausweicht?
Letzteres erscheint mir eher zum Verzweifeln …
Weitere Verweise
- „Substantivierungen von Verben und Adjektiven – die Regeln“ des Studienkreises Nachhilfe
- GfdS: Groß- oder Kleinschreibung substantivierter Verben (GfdS: Gesellschaft für deutsche Sprache e. V.)
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