Sprechen wir bald nur noch (D)englisch?

sprechblase

Ich fasse nicht, was diese Reden meinen,
Doch sie ent­set­zen mich –

(aus Fried­rich Schil­ler: Don Car­los, Infant von Spa­nien, 4. Akt, Ein­und­zwan­zigs­ter Auftritt)

Vor Kur­zem erschien ein Bei­trag, der sich kri­tisch mit der Über­hand­nahme eng­li­scher Bezeich­nun­gen im Berufs­le­ben befasst. Deng­lisch und kein Ende! Dabei sind unsere Eng­lisch­kennt­nisse gerin­ger als wir glau­ben, wie der Autor die­ses Bei­trags weiß. Warum also? Pro­vin­zia­lis­mus, hin­ter ver­meint­li­cher Kom­pe­tenz versteckt!

Im beruf­li­chen Netz­werk Xing erschien Anfang Juni der Bei­trag „Ohne Eng­lisch ist Deutsch nicht mehr zu ver­ste­hen“ von Jür­gen W. Gold­fuß, der übri­gens auch für Men­schen abruf­bar ist, die (gerade) nicht dort ange­mel­det sind. Darin sam­melt er eng­li­sche Aus­drü­cke vor­nehm­lich aus dem Wirtschafts‑, heute auch gern Business-Eng­lisch genannt. Die Begriffe „wur­den nicht erfun­den, son­dern exis­tie­ren schwarz auf weiß in gemisch­ter Groß/​Kleinschreibung, nach­les­bar in einer HRS-​Publikation“, so der Autor. Hier ein Zitat aus sei­nem Beitrag:

Da wer­den recrui­ter infor­miert über Chat­bots, Can­di­date Expe­ri­ence, Employer Bran­ding, Active Sourcing und Mobile Recrui­ting. Wich­tig ist auch der Hand­lungs­be­darf bei den Touch Points. Top-​Performer berich­ten über ihre Social-​Media-​Strategie und die Zusam­men­ar­beit mit Job- und Talent-​Recommendern. […] Da gibt es den Head of Employer Bran­ding and Social Inno­va­tion und den Glo­bal Direc­tor Employer Bran­ding. Da berich­tet der Direc­tor Group Human Resour­ces über Employer Value Pro­po­si­tion, old­school Per­so­na­ler und Hiring Manager.

Und so wei­ter und so fort. Je wei­ter es mit der Lek­türe geht, desto weni­ger weiß man, ob man nun lachen oder wei­nen soll. Von einem gewis­sen Ent­set­zen ganz zu schwei­gen; siehe das Motto am Anfang unse­res Beitrags!

Am Ende steht die Frage:

Dass man Begriffe aus ande­ren Spra­chen über­nimmt (Porte­mon­naie, Bou­le­vard usw.) ist nicht unge­wöhn­lich. Dass Spra­che sich im Laufe der Zeit ver­än­dert, gehört zur Evo­lu­tion. Aber muss es unbe­dingt im Sekun­den­takt sein?

Denglisch oder nur noch dämlich?

Wie wir hier im Bei­trag „Über den Anteil von Fremd­wör­tern im Deut­schen“ bereits fest­stell­ten, mag man über eben die­sen Anteil geteil­ter Mei­nung sein. In bestimm­ten Text­sor­ten und in bestimm­ten Bran­chen scheint fast jedes zweite Wort aus dem Eng­li­schen zu stam­men. Man­che Bran­chen schei­nen ohne Angli­zis­men kaum noch exis­tie­ren zu können.

Doch bewei­sen sol­che Wort­schöp­fun­gen umge­kehrt, dass wir auch über gute Eng­lisch­kennt­nisse verfügen?

Unsere Englischkenntnisse: schlechter als wir glauben!

Es dürfte sich inzwi­schen her­um­ge­spro­chen haben, dass viele „deng­li­sche“, also aus dem Eng­li­schen ein­ge­deutschte Wör­ter, im Ori­gi­nal eine völ­lig andere Bedeu­tung haben. Handy, Body Bag, Public Vie­w­ing, Slip, Slip­per, Bea­mer, Old­ti­mer, Enter­tai­ner, Twen sind nur einige Bei­spiele dafür. Nicht nur Deng­lisch also, son­dern sogar noch fal­sches (D)englisch! Schein- oder Pseu­do­an­gli­zis­men nennt man sol­che Wör­ter auch.

Der Gebrauch sol­cher eng­li­scher oder eben auch deng­li­scher Wör­ter setzt aller­dings kei­nes­wegs gute Eng­lisch­kennt­nisse vor­aus, im Gegen­teil! Ich habe näm­lich als Kor­rek­tor und Lek­tor die Erfah­rung gemacht, dass wir Deut­schen unsere Eng­lisch­kennt­nisse völ­lig überschätzen.

So hatte ich ein­mal ein Kunden- und Mitarbeiter-​Magazin einer sehr gro­ßen deut­schen Bank zu lesen, in dem Beschäf­tigte eigene Texte ver­fas­sen und ins Eng­li­sche über­set­zen konn­ten. Sie glau­ben nicht, wie hane­bü­chen schlecht diese Über­set­zun­gen waren! Da wurde z. B. als abso­lute Krö­nung aus einem hohen (Finanz-)Spartenleiter so etwas wie ein Kantinen-​Manager, wenn man die Über­set­zung zurück­über­setzte. Als mir der Kol­lege, der mir diese Arbeit zur Erle­di­gung über­reicht hatte, nach einer Weile über die Schul­ter sah, war er so ent­setzt über die Anzahl der Über­set­zungs­feh­ler, dass er anfragte, ob ich nicht ein paar Feh­ler „über­se­hen“ könne, denn so sei das ja pein­lich. Er befürch­tete wohl einen Ent­zug wei­te­rer Auf­träge die­ses Kunden.

Übersetzungsdienste sind auch nicht besser!

Doch nicht nur bei eige­nen Über­set­zun­gen hapert es mit unse­ren Sprach­kennt­nis­sen, Über­set­zungs­dienste arbei­ten kei­nes­wegs besser.

In einem frü­he­ren Ver­lag, der u. a. auf­wän­dig her­ge­stellte Foto­bände von Rei­se­zie­len aus aller Welt ein­schließ­lich deren Beschrei­bun­gen in Deutsch und Eng­lisch her­aus­brachte, ging es ein­mal um ein Schloss in Öster­reich. Darin befin­det sich als beson­de­res Merk­mal ein Saal, in dem eine rie­sige Samm­lung von Wap­pen (eng­lisch: coat of arms) zu bewun­dern ist. In der (mechanisch-​digitalen) Über­set­zung, die wir bei einem Übersetzungs-​Dienstleister ange­fragt hat­ten, wur­den aus den Wap­pen nun Waf­fen (eng­lisch: wea­pons)!

Stel­len Sie sich vor, auf­grund der fal­schen Über­set­zung wäre nun ein Waf­fen­narr in vol­ler Vor­freude dar­auf, einen reich­hal­tig bestück­ten Waf­fen­saal vor­zu­fin­den, aus den USA ange­reist – und hätte Wap­pen vorgefunden!

(D)englisch: Provinzialismus hinter vermeintlicher Kompetenz versteckt

Ange­sichts die­ser Bei­spiele aus mei­ner Berufs­er­fah­rung mutet der über­mä­ßige Gebrauch von Angli­zis­men bzw. von Deng­lisch lächer­lich an. Mir scheint, dass wir mit sol­chen eng­li­schen Phra­sen kom­pe­tent erschei­nen wol­len, aber ange­sichts unse­res oft gerin­gen Wis­sens ums Eng­li­sche wir­ken sie wie Luft- oder Sprech­bla­sen. Dahin­ter scheint mir jedoch eine eigent­li­che Pro­vin­zia­li­tät zu ste­cken, was das Ganze dann zusätz­lich sehr pein­lich anmu­ten lässt. Beson­ders, wenn man sol­che Bei­spiele so gebün­delt wie im Bei­trag von Herrn Gold­fuß findet.

Siehe hier auch

Ronald M. Filkas
Gelernter Schriftsetzer im Handsatz, Studium der Germanistik, zertifiziert abgeschlossene Fortbildungen „Web-Publishing Schwerpunkt DTP“ und Online-Redaktion, langjährige Erfahrungen als Schriftsetzer/ DTP-Fachkraft und als Korrektor und Lektor in Druckereien, Redaktionen und Verlagen. Mehr? Seite „Über mich“!

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