Die Leichte Sprache und der Mediopunkt

Deutsche Sprache, schwere Sprache? Nicht immer; es gibt auch die Leichte Sprache. Was es damit auf sich hat, was der dort oft gebräuchliche Mediopunkt und der Unterschied zur Einfachen Sprache sind, soll hier erklärt werden. Auch typografische Besonderheiten werden erwähnt!

Die deutsche Sprache wird von vielen als schwere Sprache eingeschätzt, nicht nur von Menschen, die diese erst lernen (müssen). Die vielen Fälle, unterschiedliche Betonungen oder Aussprachen bei gleichem Buchstaben und vieles mehr werden als schwer zu verstehen (und zu vermitteln) empfunden. Die Leichte Sprache soll dagegen Menschen mit geringen Lesefähigkeiten ermöglichen, selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Zielgruppen dafür sind Menschen mit kognitiven Einschränkungen, funktionale Analphabeten, Personen mit geringen Deutschkenntnissen oder auch solche, deren Erstsprache nicht Deutsch ist. Insgesamt also eine Zielgruppe, die rund 10 Millionen Menschen (!) umfasst.

Signet Leichte Sprache
Signet von Inclusion Europe für Texte in Leichter Sprache

Die Schreibung des Terminus Leichte Sprache mit einem großen L zeigt, dass es sich um eine feststehende Verbindung handelt. Wenn Sie aber etwa auf die Idee kommen sollten, die Sprache eines Dichters als leicht im Sinne von luftig bezeichnen zu wollen, dann schreiben Sie über dessen „leichte Sprache“ in diesem Falle klein!

Die Leichte Sprache und ihre Regeln

Leichte Sprache ist eine vereinfachte Form des Deutschen. Rechtlich verankert wurde die sie erstmals im Rahmen der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung 2.0 von 2011. Für das Verfassen von Texten in Leichter Sprache existieren auf unterschiedlichen sprachlichen Ebenen Regeln, die das Textverständnis vereinfachen:

  • Es werden kurze, leicht verständliche Wörter verwendet.
  • Die Sätze sind kurz und enthalten meist nur eine einzige Aussage.
  • Es wird vorwiegend die Aktiv- statt der Passivform eingesetzt.
  • Sätze bestehen immer aus den Gliedern Subjekt, Prädikat, Objekt.
  • Der Konjunktiv (Möglichkeitsform) wird vermieden.
  • Der Genitiv wird durch präpositionale Fügungen mit „von“ ersetzt („Das Haus vom Lehrer.“).
  • Präzise Mengenangaben sollen durch „viel“ oder „wenig“, Jahreszahlen durch „vor langer Zeit“ o. Ä. ersetzt werden.
  • Abstrakte Begriffe werden vermieden; wo notwendig, werden sie durch anschauliche Beispiele oder Vergleiche erklärt.
  • Fremd- oder Fachwörter werden erklärt.
  • Bildhafte Ausdrücke („Rabeneltern“) werden vermieden.
  • Komplexere Wörter werden durch Bindestriche oder sogenannte Mediopunkte unterteilt.
  • Abkürzungen werden beim ersten Vorkommen durch die ausgeschriebene Form erklärt, was übrigens ganz allgemein für das Schreiben guter Artikel gelten sollte.

Wichtig zu wissen ist auch: Leichte Sprache ist weder Kinder- noch Comic-Sprache, und die Unterscheidung der Anreden „Du“ und „Sie“ wird wie in der Standardsprache gehandhabt!

Leichte Sprache oder Einfache Sprache?

Die Leichte Sprache geht in der Vereinfachung weiter als die Einfache Sprache. So beträgt die maximale Satzlänge bei der Einfachen Sprache meist 15 Wörter, bei der Leichten Sprache sollen die Sätze nur kurz sein; empfohlen werden aber acht Wörter. Allerdings gibt es hierbei Ausnahmen. Weiterhin vermeidet die Einfache Sprache komplizierte Sprachelemente, macht aber einen normalsprachlichen Eindruck, Leichte Sprache hingegen weist Eigenheiten auf, die in der Normalsprache nicht vorkommen, wie z. B. Trennstriche oder Mediopunkte in zusammengesetzten Wörtern sowie zusätzliche Zeilenumbrüche.

Der Mediopunkt

Leichte Sprache wird nicht nur gesprochen, sondern auch geschrieben. Für komplexe Wortstrukturen gilt es, den Lesenden eine Lesehilfe zu geben und somit das Textverständnis zu erleichtern. Darum wird häufig mit Bindestrich oder dem Mittelpunkt, der hier Mediopunkt genannt wird, gearbeitet. Beim ihm handelt es sich übrigens um ein sehr altes diakritisches Zeichen, das bis zur Erfindung und Durchsetzung des Wortzwischenraums genutzt wurde, um Wörter voneinander zu trennen.

Nibelungenlied Strophe 3 mit Hochpunkt zur Versteiltrennung
Die Verse 9 bis 12 (3. Strophe) im Urtext des Nibelungenlieds in der alten Schreibweise mit Mittelpunkten (Das Nibelungenlied – Urtext mit Übertragung, Darmstadt 1994)
In Leichter Sprache ist er dem Bindestrich in bestimmten Fällen vorzuziehen, etwa dann, wenn die Bindestrichverwendung abweichend von der Standardorthografie ist, wie etwa im Beispiel Rechts-Anwalt, da durch die unorthografische Bindestrichverwendung hier falsche Lernimpulse gesetzt werden:

Schub-Lade – Schub·lade, Geburts-Datum – Geburts·datum, Sach-Verständiger – Sach·verständiger.

Darstellbar ist der Mediopunkt · auf dem Windows-PC mit der Tastenkombination Alt + 0183, unter Linux mit Alt Gr + Komma, unter macOS mittels ⌥ + ⇧ + 9. Womit wir zu typografischen Besonderheiten der Leichten Sprache kommen.

Zur Typografie der Leichten Sprache

  • Schriftauszeichnungen werden vermieden, also keine durchgehenden Großbuchstaben (Versalsatz) oder kursive Schrift.
  • Texte werden übersichtlich gestaltet, z. B. steht jeder Satz in einer eigenen Zeile.
  • Texte werden durchgehend linksbündig im Flattersatz gesetzt.
  • Es werden Aufzählungspunkte verwendet.
  • Bild und Text fließen nicht ineinander.
  • Bilder helfen, einen Text besser zu verstehen.

Zur Verbreitung der Leichten Sprache

Leichte Sprache ist übrigens keine deutsche Erfindung, denn vor allem die skandinavischen Länder haben schon früh die Notwendigkeit von Texterleichterungen erkannt und Zentren für leichte Varianten der jeweiligen Amtssprachen eingerichtet.

Eine wachsende Zahl von Behörden, Ämtern, Bildungseinrichtungen, Unternehmen und Radio- oder Fernsehmedien (hier besonders der

stellen inzwischen bereits ihre Informationen oder sogar ihre Nachrichten zusätzlich in Leichter Sprache zur Verfügung.

Weitere Informationen bieten das Netzwerk Leichte Sprache und Multisprech über Einfache Sprache.

Ronald M. Filkas
Gelernter Schriftsetzer im Handsatz, Studium der Germanistik, zertifiziert abgeschlossene Fortbildungen „Web-Publishing Schwerpunkt DTP“ und Online-Redaktion, langjährige Erfahrungen als Schriftsetzer/ DTP-Fachkraft und als Korrektor und Lektor in Druckereien, Redaktionen und Verlagen. Mehr? Seite „Über mich“!

5 Kommentare

  1. Vie­len Dank, Herr Fil­kas, für Ihren inter­es­san­ten und prä­zi­sen Über­blick zu Leich­ter und Ein­fa­cher Spra­che! Beson­ders infor­ma­tiv finde ich Ihre Ein­blen­dun­gen zur Typo­gra­fie Leich­ter Spra­che und zum Medio­punkt (sogar mit Tastenkombination!).
    Ihren Bei­trag werde ich gern in das Lite­ra­tur­ver­zeich­nis zu Ein­fa­cher Spra­che im Blog Mul­ti­sprech auf­neh­men. Auch über wei­tere Netz­werke werde ich ihn ver­brei­ten. Für den Link auf Mul­ti­sprech am Schluss Ihres Bei­trags danke ich Ihnen.

    1. Danke für Ihr Lob und Ihren Kom­men­tar, Frau Dr. Man­ning, der zunächst lei­der im Spam-Ord­ner lan­dete und von mir erst manu­ell frei­ge­schal­tet wer­den musste, und für die Wei­ter­ver­brei­tung des Beitrags!

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