Comic Sans! Für Typografen ein Reizwort, dennoch häufig benutzt. Zu häufig, nämlich zu häufig dort, wo sie überhaupt nicht passt! Einige Gedanken über Gebrauch und Missbrauch dieser Schrift, aber auch über Alternativen wie etwa die Comic Neue. Denn, ja, die gibt es inzwischen tatsächlich!
Es gibt kaum eine – oder besser: keine? – Schrift, die so gehasst wird wie die Comic Sans. Besonders von Typografen. Das Kerning zu unausgewogen, keine Schreibschrift im eigentlichen Sinne, zu oft dort verwendet, wo sie überhaupt nicht passt, und vieles mehr wird ihr vorgeworfen. Mir persönlich hat noch nie gefallen, dass sie als eigentlich serifenlose Schrift für das große I Serifen zur Unterscheidung vom kleinen l benötigt. Für sie spricht jedoch, dass sie extrem gut lesbar ist; sie entspricht zu großen Teilen sogar den Anforderungen an eine Schrift für legasthene Menschen!
Der Schöpfer Vincent Connare
Ihr Schöpfer Vincent Connare, der die Schrift 1994 für Microsoft entwarf, verteidigt sie noch heute, ja, er hält sie sogar für sein bestes Werk. Damals wollte er eine Schrift schaffen, die sich gegen die bis dahin langweiligen Fonts der ersten Betriebssysteme stellt. Inspiriert wurde er dabei tatsächlich durch Comic-Hefte, aber auch durch das, was er in den 1980ern in den New Yorker Galerien von SoHo sah. Seit ihrer Auslieferung mit Windows 95 gehört sie als Comic Sans MS zu den Standardschriftarten des Microsoft-Betriebssystems, aber auch zu denen von Apples Mac OS. Mit Windows 8 wurde sogar ein kursives Schriftbild bereitgestellt.
Von Gebrauch und Missbrauch
Warum erfreut sich die Schrift trotz aller Kritik bis heute einer großen Beliebtheit? Oder, um es anders auszudrücken: Warum wird sie trotz aller Kritik heute immer noch so oft genutzt?
Nun, das dürfte beispielsweise auch daran liegen, dass für viele (meist persönliche) Zwecke die anderen vorinstallierten Fonts noch viel unpassender sind als diese. Arial erscheint vielen (zu Recht!) als künstlich und kalt, Times New Roman als zu seriös und Courier New als langweilig. Und sie ist wirklich gut lesbar!
Die Gefahr des Missbrauchs liegt allerdings (sehr!) nahe! Wer eine persönliche, gar eine berufliche Website damit erstellt, darf sich nicht wundern, wenn ihr/ihm mangelnde Ernsthaftigkeit unterstellt wird. Die Verwendung als Grundschrift für ganze Texte des privaten Weblogs, weil dadurch ein handschriftlicher Charakter der Tagebucheinträge vermittelt werden soll, ist ebenso deplatziert, denn das kann die Comic Sans nicht leisten. Sie ist, um es noch einmal zu wiederholen, keine Schreibschrift!
Zu gelungenen – „it’s best used as a headline/heading font or short quote (such as in a comic book)“ –, aber vor allem misslungenen Beispielen hat Cameron Chapman auf Six Revisions den reich bebilderten Beitrag „Comic Sans: The Font Everyone Loves to Hate“ (vom 1. Dezember 2009) veröffentlicht, der zudem viele Alternativen aufzeigt. Laut Chapman sind es vor allem „Amateure“, die zur Missbilligung der Comic Sans beigetragen haben:
While the group is a bit tongue-in-cheek, they do point out one of the biggest problems in amateur graphic design: disregard for appropriate typography choices. Where a professional designer will (usually) consider the impact their font and typography choices have on the overall tone of a project, an amateur will often just pick a font they like, disregarding the font’s impact on the final design.
Zur Verteidigung der Comic Sans
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Die Comic Neue
Durchaus eine Alternative und einen Versuch wert ist die seit 2014 existierende Comic Neue des australischen Gestalters Craig Rozynski, eine moderne und verfeinerte, weil schlankere Version der Comic Sans. Sie wird kostenlos und außer in der regulären Version auch leicht, fett und kursiv sowie als Comic Neue Angular in einer etwas eckigeren Variante ausgeliefert. Zudem wird dort ein „Comic Sans Replacer“ zum Herunterladen angeboten, eine Browser-Erweiterung, die auf beliebigen Internetseiten die Microsoft-Schrift automatisch durch die Comic Neue ersetzt.
Fazit
Es soll hier niemandem verboten werden, Comic Sans zu nutzen. Doch vor dessen Verwendung sollte, wie bei jeder anderen Schrift übrigens auch, gut geprüft werden, ob sie für den jeweiligen Zweck passend ist. Als Überschrift für Textdokumente, für persönliche Notizen, die fürs Büro erstellt und ausgedruckt werden, oder auch mal als Experiment für mutige Gestalter mag sie durchaus sinnvoll erscheinen. Wer aber eigentlich eine Schrift sucht, die eine Schön- oder Handschrift darstellt, sollte die Finger davon lassen, ebenso ist vom Gebrauch als Brotschrift, ob für zu druckende oder im WWW zu veröffentlichende Texte dringend abzuraten. Ebenso natürlich für berufliche Dokumente!
Weitere Verweise
- Neg Miller, Fast Company: „This Short History Of Comic Sans Will Make You Love Comic Sans“ vom 26. Januar 2017,
- David Kadavy, Design for Hackers: „Why You Hate Comic Sans“ vom 6. September 2015,
- Mike Lacher, McSweeney’s Internet Tendency: „Monologue: I’m Comic Sans, Asshole“ vom 15. Juni 2010,
- Great Big Story, YouTube: „Comic Sans: The Man Behind the World’s Most Contentious Font“ vom 19. Januar 2017.
- Natürlich darf „Ban Comic Sans“ hier nicht fehlen!
- Siehe hier etwa auch „Was sagt die Schriftwahl über Sie aus?“ und zur typischen Sprache in Comics: „‚Räusper‘: die sogenannte Comic-Sprache“!
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