Das Fugen‑s

Schafkäse mit Oliven

Die deutsche Sprache hat eine wunderbare Eigenschaft: Wörter direkt verbinden zu können. Häufig benötigen wir hierfür aber Fugenelemente. Das Fugen-s ist eines der am meisten gebräuchlichen Fugenelemente. Mit diesem wollen wir uns hier einmal beschäftigen – und am Ende kurz mit dem Schaf[s]käse.

Infanteriewerk Sufers 07
Kompositum ohne Fugen-s: Infanteriewerk A 7838 in Sufers, Kanton Graubünden (Kreteglobi über Wikimedia Commons)

Die deutsche Sprache hat eine wunderbare Eigenschaft: Wörter direkt verbinden zu können. Und zwar direkt, also ohne Deppenleerzeichen! So können wir die Wörter „Hut“ und „Schachtel“ direkt zur Hutschachtel verbinden.

Zwischen beiden Wörtern befindet sich eine Fuge. Im Falle der Hutschachtel ist diese leer. Etwas anders verhält es sich bei der Verbindung von „Hochzeit“ und „Torte“: Das -s- in der Hochzeitstorte ist ein Fugenelement. Sie werden in der deutschen und in einigen anderen Sprachen bei Wortzusammensetzungen (Komposita) sowie manchmal bei Wortableitungen an den Nahtstellen (Fugen) der Zusammensetzung eingefügt. Andere Bezeichnungen hierfür sind: Fugenlaute, Fugenzeichen, Fugenmorphem, Kompositionsfuge oder Fusem.

In der deutschen Sprache ist das Vorkommen von Fugenelementen besonders ausgeprägt. Deutsche Fugenelemente sind: -e-, -s-, -es-, -n-, -en-, -er-, -ens-. Laut Duden ist das Fugen-s das mit Abstand häufigste Verbindungselement.

Historisch sind einige Fugenelemente aus Flexionsendungen entstanden: „des Tages Licht“ wurde zu „Tageslicht“, „die Bearbeitung des Antrags“ zu „Antragsbearbeitung“. Doch auch wenn einige heute noch formal mit solchen Endungen übereinstimmen, stellen sie lediglich das Verbindungselement zwischen Komposita-Bestandteilen dar und sollen oft der leichteren Aussprache dienen. Warum allerdings „Hochzeitstorte“ leichter auszusprechen sein soll und warum es dann nicht auch „Stadtstor“ heißt, erklärt dieses Argument nicht. Angesichts der Tatsache, dass es zum Beispiel den Landtag gibt, andererseits aber auch den Bundestag, den Hofnarr, aber auch die Friedhofsmauer, ahnen Sie also vielleicht schon, dass die Regeln für das Fugen-s kompliziert sein könnten. Oder etwa doch nicht?

Regeln für das Fugen-s

Fugenelemente sind im Gegensatz zu allen anderen Wortbildungseinheiten semantisch leer, sie bedeuten nichts. Sie haben ausschließlich morphologische Funktionen. In der Sprachforschung wird oft darauf aufmerksam gemacht, dass auf „einfache“ Einheiten häufig kein Fugenelement folgt: Zeitmaß, Fahrtkosten, Sichtblende, Schriftbild, während komplexe Einheiten durch ein Fugenelement markiert werden: Abfahrtszeit, Übersichtsplan und eben die Hochzeitstorte.

Feste Regeln für das Auftreten bzw. Nicht-Auftreten eines Fugenelements in einem Kompositum gibt es aber nur wenige. Nach bestimmten Erstgliedern setzt man es allerdings regelhaft, so zum Beispiel nach Substantiven mit den Ableitungssuffixen -ing, -ion, -heit, -keit, -ling, -schaft, -tät, -tum, -um oder -ung. Beispiele:

  • Ihr Sauberkeitswahn hat bizarre Formen angenommen.
  • Sein Realitätsverlust ist langsam beunruhigend.
  • Fußball ist ein Mannschaftssport.
  • Zeitungsleser/-innen sind leider immer seltener zu finden.

Aber auch Komposita mit „Armut“, „Bahnhof“, „Geschichte“, „Hilfe“ und „Liebe“ als Erstglied haben im Allgemeinen ein Fugen-s. Ebenso steht es dort, wenn das Erstglied des Kompositums ein substantivierter Infinitiv ist, so etwa in „Schlafenszeit“.

Bei einer ganzen Reihe von Verbindungen ist der Gebrauch des Fugen-s allerdings schwankend. So bei Komposita mit „-steuer“ und „-straße“ als Zweitglied.

In der deutschen Rechtssprache ist das Fugen-s üblich:

  • Arbeitsrecht
  • Schadensersatz
  • Schmerzensgeld
  • Verwaltungsrecht

In Österreich entfällt es hier übrigens:

  • Schadenersatz
  • Schmerzengeld

Die offizielle Benennung von Steuern hingegen erfolgt in Deutschland, Österreich und der Schweiz ohne Fugen-s! Hier ist die Rede von der Einkommensteuer, der Grunderwerbsteuer, der Vermögensteuer etc., während im nicht-behördlichen Kontext eher von der Einkommens- oder der Vermögenssteuer gesprochen wird. (Siehe hier auch „Fachsprache gegen Laiensprache“!)

Bei den Verbindungen mit „-straße“ trifft man auf beide Formen: Bahnhof[s]straße, König[s]straße, Frieden[s]straße. (Siehe hier auch „Von Sack-Gassen und Einbahn Straßen“!)

Das Fugen-s und der Bindestrich

Bei durch dieses Fugenelement gegliederten Komposita erübrigt sich zwar im Allgemeinen ein Bindestrich, da das Fugenelement per se eine Verbindung darstellt. Allerdings kann vor allem bei mehrgliedrigen, unübersichtlichen Verbindungen um der besseren Lesbarkeit willen zusätzlich zum Fugen-s gern ein Bindestrich gesetzt werden!

  • Einen derartigen Antragsbearbeitungs-Marathon haben wir hier noch nie erlebt!
  • Sie ist gerade Stadtverwaltungs-Oberinspektorin geworden.

Zusammensetzungen mit Fugen-s und sich anschließender Abkürzung müssen aber grundsätzlich mit Bindestrich versehen werden:

  • Er war Chef einer der größten städtischen Bauunternehmungs-GmbHs.

(Siehe hier auch „Das Verbindende und der Bindestrich“!)

Und der Schaf[s]käse?

Schafkäse mit Oliven
Schaf- oder Schafskäse? Auf jeden Fall mit Oliven! (Frente über Wikimedai Commons)
Vor Langem hatte ich zu meiner Zeit als aktiver Wikipedia-Editor eine Diskussion mit einer Nutzerin darüber, ob es nun Schaf- oder Schafskäse heißt. Sie beharrte auf letzterer Schreibweise, weil der Duden diese so anführe. Davon abgesehen, dass der Duden durchaus auch den Schafkäse kennt und nennt, musste ich mich mit ihrer Argumentation abfinden. Es heißt ja schließlich auch Kuhs-, Kuhmilchs- und Ziegenskäse! (Siehe hierzu auch im SPIEGEL bei Zwiebelfisch: „Bratskartoffeln und Spiegelsei”!)

Siehe auch

Ronald M. Filkas
Gelernter Schriftsetzer im Handsatz, Studium der Germanistik, zertifiziert abgeschlossene Fortbildungen „Web-Publishing Schwerpunkt DTP“ und Online-Redaktion, langjährige Erfahrungen als Schriftsetzer/ DTP-Fachkraft und als Korrektor und Lektor in Druckereien, Redaktionen und Verlagen. Mehr? Seite „Über mich“!

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