Wort des Jahres 2022 ist „Zeitenwende“. Bundeskanzler Scholz hatte es kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine in einer vielbeachteten Rede verwendet. Was hat es damit auf sich?
Die Gesellschaft für deutsche Sprache e. V. (GfdS) gab am 9. Dezember bekannt, dass „Zeitenwende“ das Wort des Jahres 2022 ist. Das Wort steht im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und wurde u. a. von Bundeskanzler Olaf Scholz aufgegriffen und geprägt. „Der russische Überfall auf die Ukraine markiert eine Zeitenwende“, hatte er am 27. Februar 2022 gesagt.
Die deutsche Wirtschafts- und die Energiepolitik habe sich völlig neu ausrichten müssen, erklärte die GfdS. Auch Verhältnisse zu anderen internationalen Partnern wie China seien kritisch beleuchtet worden. Zudem habe bei vielen Menschen eine emotionale Wende stattgefunden. Vielfach sei Angst und Sorge vor einem Atomkrieg in Europa oder gar einem dritten Weltkrieg zu spüren gewesen, so die GfdS.
Zeitenwende?
„Zeitenwende“ bezeichnet zunächst einmal den Beginn einer neuen Ära, also eines neuen Erdzeitalters im Sinne eines längeren Abschnitts der (Erd)geschichte. Der Begriff steht aber auch für den Beginn der christlichen Zeitrechnung. Und jetzt wieder eine Zeitenwende?
Nun, ganz so heftig ist es nicht. Oder doch? Scholz verkündet „lediglich“ ein gigantisches Aufrüstungsprogramm. Gleichzeitig bedeutet diese Wende die Abkehr von der bisherigen (und nie wirklich umgesetzten!) Doktrin, keine Waffen in Kriegsgebiete zu liefern. Zudem begeben sich seine Minister/-innen auf die Suche nach neuen Energieträgern und ‑lieferanten und sehen sich dabei gezwungen, Energie statt von dem einen nun von anderen Despoten zu erhalten. Oder eine umweltschädliche Quelle durch eine andere zu ersetzen. Was im Grunde auch nicht so ganz neu ist.
Vielleicht sollten wir eher von einem „Epochenbruch“ sprechen, wie es Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 28. Oktober 2022 in seiner Grundsatzrede zur Lage der Nation tat?
Zur Wahl des Worts des Jahres
Jeweils kurz vor Jahresende wählt eine Jury von Sprachwissenschaftlerinnen und ‑wissenschaftlern nach eigenen Angaben „aus mehreren tausend Belegen aus verschiedenen Medien und Einsendungen von Außenstehenden“ zehn Wörter aus und stellt eine Rangliste auf.
Es werden Begriffe gewählt, die das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben in Deutschland nach ihrer Ansicht in dem jeweiligen Jahr sprachlich besonders bestimmt haben. Dabei suchten die wissenschaftlichen Mitarbeiter/-innen der GfdS „nicht nach den am häufigsten verwendeten Ausdrücken, sondern wählen solche, die das zu Ende gehende Jahr in besonderer Weise charakterisieren“. Eine Wertung fände nicht statt.
Diesmal seien mehr als 2000 Einsendungen eingegangen. Wort des Jahrs 2021 war übrigens „Wellenbrecher“.
Weitere Verweise
- Die Bundesregierung: „Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar 2022“
- Pressemitteilung der GfdS: „GfdS wählt »Zeitenwende« zum Wort des Jahres 2022“ vom 9. Dezember 2022 (siehe dort auch die Liste der dahinter platzierten Wörter!)
- SWR2: „Zeitenwende – erklärt von Bernhard Pörksen“, Medienwissenschaftler an der Universität Tübingen, vom 4. März 2022 (8 Minuten)
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