Es gibt Wörter, bei deren Gebrauch man sich vergreifen kann, weil sie unangemessen oder im jeweiligen Zusammenhang schlicht falsch sind. In loser Folge nehmen wir hier solche Wörter unter die Lupe. Heute geht es um das zurzeit häufig gebrauchte Wort „Technologieoffenheit“.
„Technologieoffen“ ist zunächst einmal ein völlig neutrales Adjektiv. Es bedeutet, sich nicht auf eine oder mehrere bestimmte Technologien festzulegen, sondern offen für unterschiedliche Technologien beziehungsweise technische Lösungen zu sein. Das Gegenteil hiervon wäre eine ausschließliche Festlegung auf bestimmte Technologien, wobei mögliche Alternativen entweder ignoriert oder bewusst ausgeschlossen werden (sollen).
In politischen Diskussionen taucht jedoch seit längerer Zeit immer wieder das Substantiv „Technologieoffenheit“ auf. So vor allem im Zusammenhang mit energie‑, umwelt- und verkehrspolitischen Themen. Und hauptsächlich im Wortschatz einer bestimmten Partei, die wir hier sicherlich nicht nennen müssen.
Technologieoffenheit?
Die ursprüngliche und eigentlich neutrale Bedeutung des Wortes ist inzwischen völlig verschwunden. „Technologieoffenheit“ ist in kürzester Zeit zu einem Schlagwort und zum Schlachtruf derjenigen geworden, die noch länger Milliardengewinne mit fossilen Rohstoffen machen wollen. Das beginnt beim Erdgas in „Wasserstoff-Ready“-Heizungen, geht über E‑Fuels für Kraftwagen jeglicher Art bis hin zur (Kern-)Fusionsenergie. Es sollen Technologien (weiter) gefördert werden, deren Erzeugungskosten die angeblichen Vorteile bei Weitem übersteigen. Von deren technischer Anwendbarkeit und den gewaltigen Entsorgungskosten im Falle der Kernenergie ganz zu schweigen!
Ein neutrales Wort ist zu einem politischen Kampfbegriff (und zu einer Floskel!) verkommen. Damit torpedieren diese Partei und deren Anhängerschaft unter dem Motto „Der Markt soll es regeln!“ sehr erfolgreich den dringend nötigen Klimaschutz.
Floskel des Jahres 2022
Übrigens landete das Wort „technologieoffen“ in der Floskelwolke des Jahres 2022 auf dem dritten Platz. Die Begründung:
Auf altbackene Techniken beharren und unwirtschaftliche Ideen aus der Glaskugel anpreisen. Nach allen Seiten offen und modern zu erscheinen, ist sprachlicher Nebelkerzenweitwurf bei marktwirtschaftlicher Sturheit. Wissenschaftlich valide Konzepte verblassen im Dunst dieser scheinbaren Offenheit.
Wir meinen, dass man diese Dummheit (und diesen sprachlichen Unfug; schließlich sind wir hier in erster Linie sprachwissenschaftlich engagiert!) nicht besser beschreiben kann, und kommen zu dem Schluss, dass in der Politik nicht immer die klügsten (und sprachgewandten) Köpfe sitzen.
Siehe auch
- Bedeutung Online: „Was bedeutet ‚technologieoffen‘?“,
- taz: „Technologieoffenheit der FDP: Warten auf unrealistische Lösungen“ vom 6. Juni 2023
- und hier beispielsweise „Zeitenwende?“ und „Sprache in Krisenzeiten“
Wieder ein schöner Beitrag. Danke dafür.
Freundliche Grüße aus dem Frankfurter Umland
Uwe Scheerer
Danke sehr, aber „schön“ in diesem Zusammenhang?
Ihr Kommentar kam hier übrigens wortgleich doppelt an; habe mir erlaubt, nur einen davon freizugeben.
Freundliche Grüße zurück!
Die Doppelung war nicht beabsichtigt. Natürlich ist "schön" relativ. Einigen wir uns auf einen wieder guten Beitrag. 🙂