Gautschen? Nie gehört, werden Sie wahrscheinlich sagen. Aber irgendwie sind Sie doch auf diesen Artikel gestoßen und neugierig geworden. Der Autor erklärt, was es damit auf sich hat(te).
Vom Gautschen werden Sie wahrscheinlich noch nichts gehört oder gelesen haben, stammt es doch aus einer untergegangen Berufstradition.
Gautschen in der Papierherstellung
Ursprünglich bezeichnete das Gautschen das Entwässern und Pressen von Fasern in der Papierherstellung. Vor der Einführung der industriellen Papierproduktion wurde der Papierbrei noch aus gereinigten, zerfaserten und mit viel Wasser vermengten Lumpen, den sogenannten „Hadern“, mit einem Metallsieb aus der Bütte geschöpft. Daher stammt der Ausdruck „Büttenpapier“ für das auch noch heute verwendete, recht teure Papier. Beispielsweise als Briefpapier wirkt es sehr edel. Es zeichnet sich durch die etwas rauere Oberfläche und die ausgefilzten Ränder sowie durch das Wasserzeichen aus, das durch den Abdruck des Siebs entsteht. Auch das siebartige Muster ist mit dem Wasserzeichen gut zu erkennen, wenn Sie ein Blatt gegen eine helle Lichtquelle halten.
In der modernen Papierherstellung durchläuft der sehr stark mit Wasser verdünnte Papierstoff als Papierbahn schließlich die sogenannten „Filzwalzen“, die Gautsche, mittels derer eine weitere Entwässerung stattfindet. (Siehe hierzu Otto Krüger: Satz, Druck, Einband, Wiesbaden 1962, Seiten 125 ff.)
Das Gautschen als feierliche Taufe
In der Druckersprache, die auch Ausdrücke aus der Sprache der Schriftsetzer beinhaltet, nennt man den feierlichen Taufakt, währenddem die angehenden Drucker und Setzer, die Gäutschlinge, auch „Kornuten“ genannt, als sogenannte „Schwarzkünstler“ in die Gilde Gutenbergs aufgenommen werden, Gautschen.
Wasserreich ist dieser Brauch, ähnlich wie in der Papierherstellung, aber auch. Da während der Taufe die „Sünden“ aus der Lehrzeit abgewaschen werden, finden sich die zukünftigen Gesellen nach einer Strafpredigt des Gautschmeisters, in der die Vergehen aus der Ausbildung vorgetragen werden, von mehreren Helfern, dem Schwammhalter und den Packern, zunächst auf einen Stuhl gedrückt wieder, auf dem ein großer, nasser Schwamm liegt. Danach folgt die eigentliche Taufe: das Tauchen in einen Bottich mit Wasser. Auf das Wasser von unten durch den Schwamm und das Wasser von oben, dem Eintauchen, folgt schließlich das „Wasser“ von (oder besser: nach) innen: ein ehrenvoller Umtrunk und die Überreichung des Gautschbriefes.
Ein sehr alter Brauch
Dieser Brauch lässt sich bis ins 16. Jahrhundert zurückführen. Heutzutage werden aber allenfalls noch Druckvorstufentechniker und eventuell auch Mediengestalter hin und wieder noch gegautscht, obschon sie nicht mehr in direkte Berührung mit Druckerschwärze kommen. Der Buchdrucker und der Schriftsetzer sind inzwischen leider ausgestorben (siehe hier auch „Jason Smith über Schriftsetzer“). In der Mainzer Johannisnacht findet allerdings immer noch das weltweit größte öffentliche Gautschen zu Ehren Gutenbergs statt, dem jährlich mehrere Tausend Besucher beiwohnen.
Und der Autor?
Der Autor, selbst übrigens gelernter Schriftsetzer mit Gesellenbrief, konnte sich vor dem Gautschen allerdings erfolgreich drücken. Ein Frevel?
(Dieser Beitrag erschien zunächst am 16. Mai 2016 in Ronalds Notizen und wurde für dieses Weblog leicht geändert.)