Eine Ausstellung im Kindermuseum Frankfurt führt die Besucher/-innen in die Welt von Sprache und Schrift. Dort kann man u. a. auch einmal Schriftsetzer und Drucker spielen oder Schriften entwerfen. Den Autor überkommen nostalgische Gefühle!
Zugegeben: Einmal Schriftsetzer oder Buchdrucker werden zu wollen, gehörte früher als Kind sicherlich selten bis nie zu unseren bevorzugten Berufswünschen. Einmal Schriftsetzer und Drucker spielen, das kann man allerdings schon, nämlich in der keineswegs nur für Kinder interessanten Ausstellung „Schrift:stellen & Zeichen:setzen“ im Frankfurter Kindermuseum, die noch bis zum 6. November 2016 zu sehen, zu erleben und auszuprobieren ist.
Die anwesenden kleinen und auch größeren Kinder jedenfalls gingen konzentriert und aufmerksam an die vielen (freiwilligen) Aufgaben!
Typografisch wertvolle Bücher
In sechs verschiedenen Bereichen erfahren wir alles über coole Typen, schwere Lettern, filigrane Kalligrafien, spitze Federn, visuelle Gedichte, geheime Zeichen, bewegte Buchstaben und vieles mehr, so das Programm.
Bereits im Eingangsbereich befinden sich sicher unter Vitrinen (leider aber zu sehr im Dunkeln, auch die bibliografischen Angaben stimmen teilweise nicht) einige typografisch wertvolle Bücher wie etwa Titus Lucretius Carus: „De rerum natura“ (Zweibrücken 1782), Kurt Schwitters, Käte Steinitz, Theo van Doesburg: „Die Scheuche“ (Frankfurt a. M. 1971, Faksimile der Originalausgabe Hannover 1925), Druckerei J. J. Augustin: „Schriftproben“ (Glückstadt 1953), Ronald King: „Echo Book“ (London 1994), Karl Gerstner: „Kompendium für Alphabeten“ (Teufen 1972 u. a.), Judith Schalansky: „Fraktur mon Amour“ (Mainz 2006) und Jonathan Safran Foer: „Tree of Codes“ (London 2010).
Sich als Setzer, Drucker und Buchbinder probieren
Wir sehen das typische Handwerkszeug eines Schriftsetzers: Winkelhaken, Ahle, Pinzette, Satzschnüre und ‑schiff, dazu natürlich einen Setzkasten, an dem wir uns als Setzer probieren und das Ergebnis anschließend mittels einer Handpresse ausdrucken, sozusagen Schriftsetzer und Drucker spielen können.
Wir erfahren, dass ein Setzer einen Satz mit 28 Zeichen in höchstens einer Minute schaffen musste. Das Handwerk der Buchbinder wird uns gezeigt und wir können aus einen Druckbogen mit acht Seiten den Ausstellungsprospekt schneiden, falten und heften.
Verlage damals und heute und vom Gänsekiel zum Füller
Auf einer großen Übersichtsskizze „Wer macht was im Buchverlag?“ sehen wir die Unterschiede im Verlagswesen früher (wenige Beteiligte benötigt, um ein Buch herauszugeben) und heute (viele Beteiligte, mehrere externe Dienstleister benötigt).
Wir folgen der Entwicklung des geschriebenen Worts von Tinte und Gänsekiel über Holzgriffel mit Metallfedern für die Tinte bis zum Füller, wobei letztere schon sehr edle Teile sind, vor denen jeder Kugelschreiber vor Scham schmelzen müsste! Gleich nebenan erinnert uns eine Entwurfsskizze für den Buchstaben B, wie kompliziert der Vorgang der Gestaltung einer Druckschrift war – und noch ist, wenn ein ausgewogenes Schriftbild entstehen soll.
Geheime Codes und Filme über Schrift
Eine andere Abteilung widmet sich Geheimzeichen und ‑codes mit Handzeichen für das Alphabet. „Sch“ beispielsweise wird mit einer geöffneten Hand mit abgespreizten Fingern dargestellt, das bekannteste dürften jedoch die gespreizten Zeige- und Mittelfinger bei geschlossener Faust für das V sein, aus dem später das „Victory“-Zeichen wurde.
Nach der Besichtigung von verschiedenen Kodiermaschinen gelangen wir schließlich zum typografischen Bereich von heute, an dem wir uns an Computern selbst als Schriftgestalter versuchen können. Dazwischen können wir uns typografische Filme ansehen, in denen lust- und kunstvoll mit Buchstaben und Schrift umgegangen wird. So wandelt sich in einem davon beispielsweise das nüchterne Wort Inflation in
Inflati,ooo,ooo,oon
und setzt den Inhalt treffend bildlich um. Weitere Beispiele z. B. bei „Word as Image“ bei Facebook (öffnet in neuem Fenster!).
Die Ausstellung
Die Ausstellung „Schrift:stellen & Zeichen:setzen“ ist noch bis zum 6. November 2016 zu sehen und zu erleben.
kinder museum frankfurt (eigene Schreibweise), An der Hauptwache 15 (Zwischenebene), 60313 Frankfurt, Öffnungszeiten dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr, montags nur in den hessischen Schulferien
(Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung des Museums; siehe gern auch vor dem Besuch schon die liebevoll gestalteten Texte für die einzelnen Bereiche als PDF, 4,3 MB, und hier zu einer ähnlichen Ausstellung „Typografie in Frankfurt am Main“!)