Es gibt Wörter, bei deren Gebrauch man sich vergreifen kann, weil sie unangemessen oder im jeweiligen Zusammenhang schlicht falsch sind. In loser Folge nehmen wir solche Wörter unter die Lupe. Heute geht es hier um das gerade zum Unwort des Jahres gewählte Wort. Und das Unwort des Jahres 2024 ist „biodeutsch”. Auf den zweiten Platz gelangte „Heizungsverbot“, was auch nicht uninteressant ist.
Unwort des Jahres 2024 ist „biodeutsch”
Bis zum 31. Dezember des letzten Jahres wurden noch Vorschläge gesucht, nun steht es fest. Das Unwort des Jahres 2024 ist „biodeutsch”. In der Pressemitteilung heißt, dass der Ausdruck …
… im Jahr 2024 im öffentlichen und gesellschaftlichen Sprachgebrauch und insbesondere in den Sozialen Medien verstärkt verwendet [wurde], um Menschen vor dem Hintergrund vermeintlich biologischer Abstammungskriterien einzuteilen, zu bewerten und zu diskriminieren.
„Biodeutsch“ setze sich aus dem Wortbildungselement „bio“ und dem Eigenschaftswort „deutsch“ zusammen, wobei „bio“ eine Abkürzung für „biologisch“ darstellt. Damit werde eine rassistische, biologistische Form von Nationalität konstruiert. Ursprünglich ironisch als satirischer Ausdruck verwendet, sei seit mehreren Jahren eine sehr gedankenlose und unreflektierte, nicht-satirische, also wörtlich gemeinte Verwendung festzustellen. Dabei werde „Deutschsein“ naturbezogen begründet, um eine Abgrenzung und Abwertung von Deutschen mit Migrationsbiografie vorzunehmen.
Das Wort stehe zusammen mit den zugehörigen Substantiven „Biodeutsche“, „Biodeutsche“ in einer Reihe mit weiteren Wörtern wie „Passdeutsche“ oder „echte Deutsche“, die dazu dienten, Menschengruppen, die vor dem Gesetz gleich sind, ungleiche Eigenschaften zuzuschreiben und sie somit hierarchisch zu klassifizieren. Diese mit dem Gebrauch von „biodeutsch“ einhergehende Unterteilung in angeblich „echte“ Deutsche und in Deutsche zweiter Klasse sei eine Form von Alltagsrassismus.
Die Jury kritisiert nicht den ironisch-satirischen, sondern den diskriminierenden Wortgebrauch, weil er gegen die Idee von demokratischer Gleichheit und Inklusion verstößt und eine Privilegierung der imaginären Gemeinschaft der „Biodeutschen“ gegenüber Gruppen darstellt, die aus dem rassistischen Konstrukt der vermeintlichen „Biodeutschen“ ausgeschlossen werden. Durch die nicht-ironische Verwendung des Wortes wird ein biologischer Zusammenhang von Nationalität und „Deutschsein“ imaginiert, den es nicht gibt.
Auf Platz zwei: „Heizungsverbot“
Als weiteren kritikwürdigen Begriff nennt die Jury das von der „Bild“ verbreitete Wort „Heizungsverbot“. Der Ausdruck stelle eine irreführende Bezeichnung dar, die im Zusammenhang mit dem ab 1. Januar 2024 geltenden reformierten Gebäudeenergiegesetz verwendet worden sei, um klimaschützende Maßnahmen zu diskreditieren, so die Initiative.
Der Ausdruck ist irreführend, weil durch das Gebäudeenergiegesetz weder das Heizen noch Heizungen verboten werden. Vielmehr wird der Neueinbau von Heizungssystemen, die fossile Brennstoffe verwenden, untersagt, und es werden stattdessen alternative Heizungssysteme gefordert, die umweltschonendere, zu mindestens 65% [sic!] erneuerbare Energien verwerten.
Das persönliche Unwort der Gäste: „importierter Antisemitismus“
Seit 2013 greift die Jury auch auf damals eingeführte Kategorie des persönlichen Unworts der Gäste zurück. Das persönliche Unwort der diesjährigen Gäste Saba-Nur Cheema und Meron Mendel:
Der Ausdruck „importierter Antisemitismus“ suggeriert, dass Judenhass insbesondere mit dem Zuzug von Migrantinnen und Migranten (aus arabischen Ländern) zu einem Problem geworden sei. Vor allem in rechten Kreisen wird der Begriff verwendet, um Musliminnen und Muslime und Menschen mit Migrationsbiographie auszugrenzen und vom eigenen Antisemitismus abzulenken. Zudem werden damit Musliminnen und Muslime, die in zweiter oder dritter Generation in Deutschland sozialisiert wurden und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, als ‚importiert‘ und damit als nicht-deutsch und nicht zugehörig zur Gesellschaft dargestellt.